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Finanzminister Schelling hat einen ersten Bericht der von ihm eingesetzten Experten auf dem Tisch.

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Die Regierungsspitze hat sich bis zum 29. Februar 2016 Zeit gegeben, um über weitere Maßnahmen zu beraten.

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Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) ist jedenfalls wegen der ersten Vorschläge skeptisch.

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Wien – Vor sieben Jahren war Rot-Schwarz schon fast am Ziel. Im Mai 2008 verständigten sich Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (ÖVP) und Sozialminister Erwin Buchinger auf eine Art Pensionsautomatik. Also eine Verpflichtung, das Pensionssystem anzupassen, wenn die Lebenserwartung und die Kosten des Pensionssystems für die Öffentlichkeit deutlich steigen.

Geworden ist dann nichts daraus, die SPÖ zog ihre Zusage später zurück, Neuwahlen wurden ausgerufen und seither schiebt die Koalition das Thema vor sich her. Nun macht die ÖVP wieder Druck in diese Richtung.

Expertenvorschläge

Nun macht die ÖVP wieder Druck in diese Richtung. Eine von Finanzminister Hans-Jörg Schelling eingesetzte Expertengruppe hat, wie Ö1 am Mittwoch berichtete, Vorschläge vorgelegt, wie das Pensionssystem langfristig finanzierbar bleiben soll.

Unter anderem wird darin angeregt, das gesetzliche Pensionsalter an die Lebenserwartung zu koppeln, die staatlichen Zuschüsse zum Pensionssystem zu begrenzen und das Frauenpensionsalter früher als bisher geplant anzuheben.

Alle Optionen aufzeigen

Im Gespräch mit dem STANDARD betont der Leiter der Expertengruppe, der Ökonom Gottfried Haber, allerdings, dass es lediglich darum gegangen sei, alle Optionen aufzuzeigen. "Das hat keinen Empfehlungscharakter." Die Regierung müsse sich nun anschauen, "was diskussionswürdig ist". Laut dem jüngsten "Ageing Report" der EU-Kommission gibt es jedenfalls zahlreiche Länder, die irgendeine Form von Automatik – wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung – eingeführt haben (siehe Grafik).

Derzeit sei jedenfalls die "langfristige Nachhaltigkeit im heimischen Pensionssystem nicht wie in anderen Ländern gegeben", resümiert Haber.

Er persönlich sehe es aber beispielsweise "nicht unproblematisch", das Pensionsantrittsalter automatisch mit der Lebenserwartung steigen zu lassen, sagt Haber. Bei den Frauen (bei ihnen liegt das gesetzliche Antrittsalter bei 60 und nicht bei 65 Jahren) sieht er hingegen sehr wohl Handlungsbedarf.

Verschiedene Schrauben

Drehen könne man jedenfalls an verschiedenen Stellschrauben. Schweden reagiere auf die steigende Lebenserwartung mit einer Anpassung der Pensionshöhe (Nettoersatzrate). Zusätzliche setze man dort auf private und betriebliche Pensionen.

Alternativ dazu könne man natürlich auch die Pensionsbeiträge anheben ("Das machen aber die wenigsten Länder") oder die Zuschüsse des Staates begrenzen. Haber: "Man kann eine Variante, aber auch mehrere Varianten wählen. Wir wollten der Politik eine Art Menüauswahl liefern."

Hundstorfer skeptisch

Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) zeigte sich vor dem Ministerrat jedenfalls skeptisch. Er glaube nicht, dass man "sich das durchgedacht hat". Bei der Pensionsautomatik etwa, also einem an die Lebenserwartung gekoppelten Anstieg des Pensionsantrittsalters, wüsste doch "jeder Wirtschaftstreibende" gerne, ob sein Mitarbeiter nun bis 65 oder 66 zur Verfügung stünde.

Ein Einfrieren des Bundeszuschusses zu den Pensionen würde wiederum "keine Erhöhung mehr" für die Betroffenen bringen, was zu "Altersarmut" führen könnte, wie der Minister betont.

"Halbfertiges Expertenpapier"

Auch für eine vorzeitige Erhöhung des Frauenpensionsalters kann sich Hundstorfer nicht recht erwärmen. Auch wenn österreichische Arbeitnehmerinnen im Jahr 2020 damit wohl das früheste Pensionsantrittsalter in Europa hätten, sei das eben "Rechtsbestand". Wie denn die Vorschläge der SPÖ zur Pensionsrefom aussehen würden? Der Minister trocken: "Ich gehe nicht mit einem halbfertigen Expertenpapier hinaus."

Auch SPÖ-Klubchef Andreas Schieder lehnt eine vorzeitige Erhöhung des Frauenpensionsantrittsalters ab, denn: Den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen, die Einführung von Quoten und mehr Lohngerechtigkeit halte er für wichtiger als diese Debatte.

"Nichts sensationell Neues"

Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner stellte nach der wöchentlichen Regierungssitzung klar, dass im Expertenpapier des Finanzressorts "nichts sensationell Neues" stehe. Das Elaborat spiegle jedenfalls nicht die Gesamtlinie seiner Partei wider – deswegen bleibe es bei der Vorgangsweise, dass die anstehenden Reformen mit dem Koalitionspartner abgesprochen werden.

Kanzler Werner Faymann (SPÖ) stellte "eine Reihe von Gesprächen" bis zum 29. Februar, dem Präsentationstermin, in Aussicht. Zum Frauenpensionsalter sagt Mitterlehner, dass seine Partei von der bisherigen Position nicht abrücke; es gehe um eine Gesamtbetrachtung des Pensionssystems, "die wir gemeinsam diskutieren werden". ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka hatte zuletzt freilich erklärt, dass Sonderregelungen wie bei der ÖBB oder in einigen Ländern vordringlicher seien als die Frauenpensionen.

Keine echte Automatik

Schelling selbst ist weiterhin für eine frühere Anhebung des Frauenpensionsalters. Diese könne schon 2018 statt wie bisher geplant 2024 beginnen. "Das wäre ein möglicher Kompromiss", sagte er im Ö1-"Mittagsjournal".

Mit einer echten Pensionsautomatik rechnet freilich auch der Finanzminister nicht. Am Ende werde sich die Politik die Entscheidung über Maßnahmen nicht abnehmen lassen. Sein Ansatz: Wenn Experten zu dem Schluss kommen, dass Handlungsbedarf besteht, müsse "die Politik zwingenden handeln". Welche Maßnahmen umgesetzt werden und in welcher Gewichtung, solle aber weiter Entscheidung der Politik bleiben. Wörtlich sprach Schelling von einem "Gerechtigkeitsmechanismus", den er anstrebe. (Nina Weißensteiner, Günther Oswald, 9.12.2015)