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Uwe Mundlos, Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt sollen den NSU gegründet haben. Das Trio lebte jahrelang im Untergrund.

Foto: AFP/Bundeskriminalamt

Die rechtsextreme Terrorzelle NSU ("Nationalsozialistischer Untergrund") soll es gar nicht gegeben haben. Und sie selbst sei an keinem einzigen Mord beteiligt gewesen. Das sagte Beate Zschäpe am Mittwoch im Oberlandesgericht München aus.

Bei Anwälten, die Hinterbliebene als Nebenkläger vertreten, löst diese Strategie Kopfschütteln aus. So sagt Anwalt Sebastian Scharmer: "Die Erklärung hält einer gründlichen Überprüfung nicht stand. Zschäpe als ahnungslose, den beiden Mittätern unterlegene Frau, die von den Taten jeweils vorher nichts wusste – das glaubt ihr niemand, der die Verhandlung von Anfang an besucht hat. Die Aussage ist konstruiert, ohne Belege und in sich widersprüchlich. Sie wird Zschäpe nicht vor einer Verurteilung retten."

Auch die Bundesanwaltschaft vertritt eine ganz andere Version, dem entsprechend lautet die Anklage gegen die heute 40-Jährige: Ihr wird Mittäterschaft in zehn Mordfällen, besonders schwere Brandstiftung sowie Mitgliedschaft in und Gründung einer terroristischen Vereinigung (dem NSU) vorgeworfen.

Zeitraum von sechs Jahren

Die Morde an acht türkischstämmigen und einem griechischen Kleinunternehmer wurden zwischen 2000 und 2006 in München, Dortmund, Nürnberg, Kassel, Rostock und Hamburg begangen. Das erste Opfer war der Blumenhändler Enver Simsek aus Nürnberg, das letzte Kioskbesitzer Halit Yozgat aus Kassel. Alle Männer wurden mit einer Ceská 83, Kaliber 7,65 mm ermordet.

Der NSU soll zudem für das Nagelbomben-Attentat in Köln 2004, einen Sprengstoffanschlag in Nürnberg 1999, den Anschlag auf die Saarbrücker Wehrmachtsausstellung 1999 und den Sprengstoffanschlag in einer Düsseldorfer S-Bahn-Station 2000 verantwortlich sein – ebenso für den Mord an der 22-jährigen Polizistin Michèle Kiesewetter im Jahr 2007.

Das Motiv für den Mord an der Polizistin lag für die Ermittler im Dunkeln. Zschäpe sagte nun aus, es sei ihren Freunden Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos um die Waffen der Polizistin gegangen.

Auch Ex-NPD-Funktionär angeklagt

Zschäpe ist in diesem Mammutprozess, der am 6. Mai 2013 begann, nicht die einzige Angeklagte. Ebenfalls auf der Anklagebank sitzen vier mutmaßliche Helfer und Unterstützer: André E., Holger G. und Carsten S. sowie der frühere NPD-Funktionär Ralf Wohlleben. In Sicherheitskreisen geht man davon aus, dass es rund 130 Unterstützer des NSU gegeben haben muss. Das antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum (apabiz) in Berlin kommt nach eigenen Recherchen auf 200 Personen.

Böhnhardt und Mundlos raubten im November 2011 in Thüringen eine Bank aus. Als die Polizei die beiden in einem Wohnwagen festnehmen wollte, fand sie nur noch die Leichen vor. Bis heute hält sich das Gerücht, sie hätten sich nicht selbst getötet, sondern seien beseitigt worden, um Pannen bei Verfassungsschutzämtern zu vertuschen. (Birgit Baumann, 9.12.2015)