Johari Abdul-Malik, Imam der Moschee Dar al-Hijrah in Falls Church, einer Satellitenstadt im Umkreis von Washington.

Foto: Almuth Herrmann

Nachts gegen zwei, erzählt Johari Abdul-Malik, Imam der Moschee Dar al-Hijrah, habe "the kid" an den Gitterstäben gerüttelt und kurz darauf einen Molotowcocktail in den Hof der Moschee geworfen. Die Polizei ermittelte wegen Brandstiftung und kam dem Täter auf die Spur, weil er sein Auto vor dem Gotteshaus geparkt und eine Überwachungskamera das Kennzeichen gefilmt hatte. "The kid" entpuppte sich als junger Mann aus der Nachbarschaft, von dem man weiß, dass er seine Emotionen nicht im Griff hat. "Eigentlich harmlos, aber mitgerissen vom Strom der Islamophobie", beschreibt ihn Abdul-Malik.

Zugetragen hat es sich zwei Nächte nach dem Blutbad, das ein radikalislamisches Ehepaar im kalifornischen San Bernardino anrichtete. In der Woche davor – ein paar Tage nach den Pariser Anschlägen – war die Moschee schon einmal zur Zielscheibe geworden. An einem Samstagvormittag stand einer vor dem Minarett, das so niedrig ist, dass es die Zypressenhecke zur Hauptstraße hin kaum überragt, und schrie: "Ihr werdet alle sterben! Jesus ist Gott!" "Dann hat er uns eine Bibel hinterlassen", sagt Abdul-Malik in der sarkastischen, lakonischen Art eines Mannes, für den solche Ausfälle nichts Neues sind.

Wie ein Blitzableiter

Die Moschee in Falls Church, einer Satellitenstadt im Speckgürtel Washingtons, war schon immer eine Art Blitzableiter gewesen. Und Abdul-Malik, ein Afroamerikaner aus Brooklyn, der einst Winslow Seale junior hieß, Chemie studierte und im Labor einer Universitätsklinik arbeitete, hat sich gewöhnt an das, was er die "Fieberkurven der Islamfeindlichkeit" nennt. Die Erste erlebte er nach den Terrorattacken vom 11. September 2001. Jetzt die Hassausbrüche nach San Bernardino. "Wir dachten, diese Tür sei verschlossen", sagt der Imam. "Nun ruft uns das Kapitel in Erinnerung, wie anfällig wir Menschen für die Rattenfänger sind."

Der Unterschied ist: Nach 9/11 gab es keinen Präsidentschaftskandidaten namens Donald Trump, der die Ängste noch geschürt hätte. Der damalige Präsident George W. Bush besuchte demonstrativ eine Moschee, um klarzustellen: "Der Islam ist Friede." Heute sagen 51 Prozent der Amerikaner laut Rasmussen Report, sie wären nicht bereit, einem muslimischen Bewerber fürs Oval Office ihre Stimme zu geben. Zum Vergleich: 78 Prozent können sich Letzteres bei einem Afroamerikaner vorstellen – sofern er nicht Muslim ist. Nach San Bernardino sieht man eine republikanische Partei, in deren Reihen mit Trump ein Demagoge die Bühne beherrscht, den die "Washington Post" mit Benito Mussolini vergleicht.

"Anführer eines Lynchmobs"

Die Forderung nach "totaler Abschottung" gegen sämtliche Muslime, die einreisen wollen, markiert nur die Spitze einer Eskalationspyramide. Zuvor schon hatte der milliardenschwere Bauunternehmer die Mär verbreitet, nach der tausende Muslime in New Jersey gejubelt haben sollen, als in Manhattan, auf der anderen Seite des Hudson River, die Zwillingstürme in Schutt und Asche fielen.

"Donald Trump klingt eher wie der Anführer eines Lynchmobs als einer großen Nation wie der unseren", sagt Nihad Awad, Direktor der Bürgerrechtsinitiative Council on American-Islamic Relations. Und die Politikwissenschafterin Dalia Mogahed, geboren in Ägypten, wirft Trump sogar vor, die Propaganda des "Islamischen Staats" wie mit einem Megafon zu verstärken: Genau wie der IS verkaufe er die Idee, dass sich die Muslime in einem inhärenten Konflikt mit dem Rest der Welt befänden.

"Rein ins organisierte Chaos"

Abdul-Malik steht inzwischen zufrieden lächelnd auf der Ladeklappe eines Lastwagens vor Stapeln von Kartonkisten: Decken für syrische Flüchtlinge in türkischen Zeltlagern – gespendet von Bewohnern der Stadt Falls Church. Zuvor hatten Pfarrer benachbarter Kirchen improvisierte Reden gehalten: über Jesus, der einst selber ein Flüchtling war, und darüber, dass die USA noch immer ein Land der Anständigen seien; dass Tragödien die Leute zusammenbringen, statt Gräben aufzureißen.

Irgendwann hatte der Imam den Hoheliedern auf das bessere Amerika eine launige Ansage hinzuzufügen: "Hey, Leute, wir haben ein Haus voller Decken, ein Zimmer voller Kartons und einen leeren Lastwagen. Dann packt mal an, stürzt euch hinein ins organisierte Chaos. (Frank Herrmann aus Washington, 9.12.2015)