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Oppositionsaktivist Zygmunt Miernik wird abgeführt.

Foto: EPA / Pawel Supernak

Früh am Morgen, noch vor der Sitzung des polnischen Verfassungsgerichts, vereidigte Polens Präsident Andrzej Duda am Mittwoch eine Verfassungsrichterin. Damit sind nun alle fünf neuen Verfassungshüter, die von der rechtsnationalen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) gewählt wurden, offiziell ernannt. Ein wenige Stunden später erwartetes Urteil des Verfassungsgerichts genau dazu interessiere ihn nicht, erklärte Duda. Auch Proteste von Rechtsexperten, des Generalstaatsanwalts und des Verfassungsgerichts wischte er beiseite. Er habe fünf Verfassungsrichter vereidigt, und diese sollen die im November und Dezember frei gewordenen Stellen einnehmen. Damit sei der Streit für ihn beendet.

Das Verfassungsgericht selbst sieht das anders: Schon vor einer Woche hatte es in eigener Sache urteilen müssen. Jenes Urteil bezog sich auf ein Gesetz, das im Juni verabschiedet worden war. Aufgrund dieses Gesetzes hatte das Parlament im Oktober – kurz vor den Wahlen – noch fünf nachrückende Verfassungsrichter bestimmt. Nach gründlicher Prüfung urteilte das Verfassungsgericht, dass die Wahl der drei November-Richter verfassungskonform, die der Dezember-Richter hingegen verfassungswidrig gewesen sei. Es forderte Staatspräsident Duda auf, seiner Pflicht nachzukommen, und die drei noch vom Vorgängerparlament ernannten Richter zu vereidigen. Der Präsident aber ignorierte das Urteil und kündigte an, er werde sich dazu erst äußern, wenn es im Gesetzesblatt Polens veröffentlicht sei.

Alle wussten, dass dessen Redaktion sehr schnell arbeiten kann. So hatten die Redakteure das neue Gesetz über das Verfassungsgericht, das das neue Parlament mitten in der Nacht verabschiedet hatte, nach nur wenigen Stunden ins Gesetzesblatt gehievt. Diesmal aber vergingen nicht Stunden, sondern Tage. Der ehemalige Vorsitzende des Verfassungsgerichts, Professor Jerzy Stepien, empörte sich, dass Premierministerin Beata Szydlo persönlich die Veröffentlichung des Urteils verboten habe.

Sorge um Gewaltenteilung

Szydlo entstammt wie auch Duda der rechtsnationalen PiS, der Partei von Expremier Jaroslaw Kaczynski. Präsident und Parlament befinden sich bereits in den Händen der PiS. Jetzt geht es darum, die unabhängigen Gerichte, darunter auch das Verfassungsgericht, unter Parteikontrolle zu bringen. Dazu muss entweder die Verfassung geändert werden, wozu eine Dreiviertelmehrheit im Parlament nötig ist, die die PiS nicht besitzt, – oder aber das Verfassungsgericht muss außer Gefecht gesetzt werden. Genau darauf zielen die Maßnahmen von Parlament, Präsident und Premierministerin nun ab.

Am Mittwochabend kam der Dämpfer: "Die Gesetzesnovelle zum Verfassungsgericht vom 19. November ist verfassungskonform, was das Gesetzgebungsverfahren und das Tempo betrifft. Nicht verfassungskonform ist das Gesetz allerdings in Hinsicht auf die Wahl und die Neudefinition der Amtszeit der Richter", erklärte Verfassungsrichter Piotr Tuleja nach über sechsstündigen Verhandlungen. Ob sich Parlament, Präsident und Regierung daran gebunden fühlen, ist fraglich. Wie es weitergehen kann, ist offen. (Gabriele Lesser aus Warschau, 10.12.2015)