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Frankreichs Präsident Hollande – hier bei einem Werksbesuch – machen steigende Arbeitslosigkeit, Attentate und Le Pen zu schaffen.

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Für einen Freitag den 13. war es eine gute Nachricht: Laut dem Pariser Statistikamt Insee wuchs die französische Wirtschaft im dritten Quartal nicht nur wie erwartet um 0,2, sondern um 0,3 Prozent. Wirtschaftsminister Michel Sapin sah darin bereits jenen Aufschwung, den die Regierung seit mehr als einem Jahr vergeblich in Aussicht herbeizureden versucht.

Am Abend dieses 13. November war der Optimismus aber bereits wieder wie weggewischt, als mehrere Terrorkommandos in Paris kaltblütig 130 Menschen umbrachten. Nicht nur Frankreich war schockiert: Tausende ausländischer Hotelgäste verließen Paris in aller Hast, und noch viel mehr annullierten ihre reservierte Reise in die Lichterstadt.

Laut Umfragen verlor die Pariser Hotellerie in den ersten zwei Wochen "danach" die Hälfte ihres Umsatzes. Die Restaurants erlitten einen Einbruch von 40 Prozent. Sie leiden noch heute unter starkem Besucherverlust, wie auch Kinos, Theater und Konzertsäle.

Aufruf an Touristen

Die längerfristigen Folgen für die Wirtschaft sind noch nicht bezifferbar. Laut Statistikern kosten die Attentate 0,2 Prozent Wachstum. Das gefährdet die Bemühungen der Regierung, den Wirtschaftsmotor über kleinste Dezimalstellen anzuwerfen. Premierminister Manuel Valls erließ einen flammenden Aufruf an die Touristen dieser Welt: "Kommen Sie nach Paris! Hier ist es sicher. Geben Sie Geld aus, gehen Sie in Konzerte, ins Kino, ins Theater!"

Jetzt erfolgt aber bereits der zweite Kinnhaken für die französische Konjunktur: Der Sieg des rechtsextremen Front National (FN) im ersten Durchgang der Regionalwahlen wirkt laut Pariser Schlagzeilen ebenfalls wie ein "Schock" – der ökonomische Folgen haben könnte. Die besten Siegchancen haben FN-Kandidaten ausgerechnet in touristischen Regionen, die von einem positiven Image leben: Côte d'Azur und Provence im Süden, Champagne und Elsass im Osten.

Savoir-vivre beeinträchtigt

Der letztgenannte Landesteil zieht wegen seiner grenznahen Lage besonders viele Besucher aus dem deutschsprachigen Raum an. Sie wollen in Städten wie Straßburg oder Erholungsgebieten wie den Vogesen den guten Geschmack des französischen Savoir-vivre goutieren, nicht die abgestandene Luft fremdenfeindlicher Ideologien atmen.

Französische Wirtschaftsvertreter sind nicht nur in diesen Regionen in Sorge. In seltener Abkehr von ihrer politischen Zurückhaltung warnen sowohl der Unternehmerverband Medef wie die Gewerkschaften vor dem Wirtschaftsprogramm der FN-Populisten. Die französischen Regionen haben zwar wenig Kompetenzen. Immerhin sind sie für die lokale Wirtschaftsförderung zuständig, und FN-Parteichefin Marine Le Pen hat bereits klargemacht, dass sie offene Ausschreibungen nach EU-Regeln streichen und durch die Bevorzugung "nationaler" Firmen ersetzten würde.

"Monetäre Souveränität"

Le Pen schwächte zwar ihre zentrale Forderung ab, Frankreich müsse aus dem Euro aussteigen. Die FN-Chefin will diese Frage nun in einer Volksabstimmung klären und selbst bei einem Euro-Nein zuerst mit der EU-Kommission über einen "geordneten" Währungsausstieg verhandeln. Als nicht verhandelbar bezeichnet sie aber im gleichen Atemzug die "monetäre Souveränität" Frankreichs – was jede Unterwerfung unter Beschlüsse der Europäischen Zentralbank ausschließen würde. Ferner will Le Pen die Grenzen schließen, protektionistische Maßnahmen ergreifen und sogar Importsteuern erheben.

Auch wenn sie noch keineswegs Staatspräsidentin ist: Ihr Wirtschaftsprogramm wirkt sich in Paris indirekt schon jetzt aus. Die Regierung hat offen erklärt, sie setze sich über die Budgetdisziplin der EU hinweg. Le Pen verleitet auch andere Parteien und Politiker dazu, die EU zum Sündenbock für die strukturellen Probleme Frankreichs zu machen. Die Rekordarbeitslosigkeit erreicht landesweit immer neue Höhen – betroffen dürften einige Neuwähler des FN sein. Ein Teufelskreis, gegen den die Regierung völlig machtlos wirkt. (Stefan Brändle aus Paris, 10.12.2015)