Wien – Diesel, der an der Zapfsäule teilweise um weniger als einen Euro zu haben ist, der Liter Benzin auch nicht viel teurer und Heizöl so günstig wie lange nicht: Was Autofahrer und Haushalte mit Ölheizung freuen mag, ist für Big Oil ein ziemlicher Horror.
Große Player der Branche wie Exxon Mobil, Shell und BP, aber auch kleinere wie OMV und Mol haben ihre Ausgaben bereits vor dem jüngsten Preisrutsch radikal gekürzt. Jetzt, bei Rohölpreisen unter vierzig Dollar je Fass (159 Liter) und noch kein Boden in Sicht, werden viele nichtstaatliche Ölkonzerne die Investitionsbremse eher noch fester anziehen, als dass sie diese wieder lockern.
Somit ist, zumindest mittelfristig, ein Ende der Ölschwemme in Sicht. Experten schätzen, dass die Preiskurve bei Rohöl im zweiten Halbjahr 2016 wieder langsam nach oben dreht. Dann sollten die rekordverdächtig hohen Lagerbestände, die es derzeit gibt, abgebaut sein.
Auf mehr als 90 Dollar je Fass sollte der Ölpreis nicht mehr steigen, weil dann mit einem noch rascheren Durchbruch bei alternativen Antrieben gerechnet wird; weniger als 60 aber auch nicht, weil sich bei tieferen Preisen die konventionelle Rohölförderung selten rentiert.
Beim jüngsten Preisrutsch hat Wien eine maßgebliche Rolle gespielt. Bei ihrem jüngsten Treffen am Opec-Sitz nahe der alten Börse waren sich die Ölminister der Organisation erdölexportierender Länder am Freitag einig, nicht einig zu sein. Entgegen bisherigen Usancen wurde die bestehende Förderobergrenze – 30 Millionen Fass am Tag – als weder bindend für das nächste Halbjahr bestätigt noch wurde sie durch eine neue Vereinbarung ersetzt.
Indonesien als Mediator
Einzig konkreter Beschluss blieb die Wiederaufnahme von Indonesien in die Opec, die nun 13 statt zwölf Mitgliedsländer umfasst. Kuriosum am Rande: Indonesien hat vor sieben Jahren seinen Rückzug aus der Organisation erklärt, weil es schleichend mehr Öl importierte als exportierte. Daran hat sich bis zum heutigen Tag nichts geändert.
Weil aber die in der Opec tonangebenden Golfstaaten mit Saudi-Arabien an der Spitze verhindern wollen, dass ein Land wie Iran nach dem Wegfall der UN-Sanktionen voraussichtlich 2016 erstarkt, wird ein Mediator gesucht. Dies könnte Indonesien sein, das darin Erfahrung hat, nicht zuletzt, weil das Land lange den Generalsekretär der Organisation gestellt hat.
Fracking
Die Strategie, mit Dumpingpreisen die US-Frackingindustrie zu erledigen, dürfte scheitern, egal wer dahintersteckt. Saudi-Arabien, dem dies zugetraut wird, hat das immer dementiert. Fakt ist, dass die US-Ölindustrie dank horizontaler Bohrtechnik sowie Einsatz von Chemikalien, Wasser und Sand (Fracking) einen enormen Aufschwung genommen hat und wieder zu den weltgrößten Ölförderländern Saudi-Arabien und Russland aufgeschlossen hat.
Fracking, das ursprünglich nur bei Rohölpreisen von 70 bis 80 Dollar wirtschaftlich zu funktionieren schien, ist dank enormer Produktivitätsfortschritte nun selbst bei halbierten Ölpreisen möglich. Die Zahl neuer Bohrungen ist zwar stark zurückgegangen, dafür spülen aber bestehende Bohrungen Tag um Tag, Stunde für Stunde Geld in die klammen Kassen der Fracking-Firmen.
Gerald Grohmann, Chef des Ölfeldausrüsters SBO in Ternitz, stellt sich auf eine längere Baisse-Phase ein: "Dieser Zyklus unterscheidet sich von anderen dadurch, dass er länger dauert. Wir rechnen damit, dass 2016 schwierig bleiben wird."
Ob und wenn ja, wie stark ein Klimaabkommen, das derzeit in Paris verhandelt wird, Einfluss auf die künftige Förderung von Kohlenwasserstoffen haben wird, muss sich erst weisen. Fix ist, dass Autohersteller durch gesetzliche Auflagen, die EU-weit in Kraft gesetzt worden sind, verstärkt auf alternative Antriebe zur Erreichung der Emissionsziele setzen werden. (Günther Strobl, 10.12.2015)