Foto: KAI PFAFFENBACH

Mit den Ergebnissen seiner "Vorstudie" zur "Evaluierung islamischer Kindergärten/-gruppen in Wien" hat Ednan Aslan, Professor am Institut für Islamische Studien der Universität Wien, eine breite Debatte ausgelöst. Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) nahm die Darstellung des Universitätsprofessors zum Anlass, politische Anliegen bei der Integration voranzutreiben. Die Sichtung der Vorstudie, die dem STANDARD vorliegt, zeigt allerdings, dass deren wissenschaftliche Aussagekraft beschränkt ist.

Auf Seite drei des gerade einmal 14 Seiten umfassenden Zwischenberichts (ohne Deckblatt, Inhaltsverzeichnis und Anhang) räumt der Studienautor ein: "Die Ergebnisse der Studie in dieser Phase können nur als Vorstudie betrachtet werden, weil nämlich die ideologische, ethnische und theologische Vielfalt der über 150 Kindergärten und 450 Kindergruppen eine auf drei Jahre aufgeteilte ausführliche Studie benötigt, um daraus relevante Daten für die Verbesserung der Situation muslimische Kindergärten und Gruppen ableiten zu können." Das Forschungsprojekt an der Universität Wien ist vom 1. Juli bis 31. Dezember 2015 anberaumt.

Fünf Kindergärten nahmen teil

Für die Vorstudie wurden "ausgewählte Kindergärten" einer Analyse unterzogen, um pädagogische Schwerpunkte zu erheben und zu erfahren, "welche pädagogischen Zugänge leitend sind". Nach welchen Kriterien diese Kindergärten ausgewählt wurden, macht Aslan nicht transparent. Nur so viel: "Bei den angefragten Kindergärten wurde darauf geachtet, Kindergärten mit unterschiedlicher kultureller und religiöser Ausrichtung anzufragen."

Drei von 15 angefragten Kindergärten sagten schließlich zu, an dem Projekt mitzuwirken. Zudem wurden Pädagogen und Obmänner von türkischen sowie von "arabisch und bosnisch dominierten Kindergärten" interviewt. Insgesamt stützt sich Aslan auf Experteninterviews aus fünf Kindergärten.

Außerdem wurden Gespräche mit Eltern geführt. Wie viele Eltern befragt wurden, geht aus dem Vorbericht nicht hervor. Außerdem liegt dem Bericht kein verschriftlichtes Protokoll der Gespräche bei. Das "Transkript" anzufügen ist im Sinne der wissenschaftlichen Nachvollziehbarkeit eine gängige Praxis, auf die in der Vorstudie verzichtet wurde. Weiters wurden Dokumente der Kindergärten, etwa Texte, Webseiten et cetera, analysiert.

In seiner "Auswertung" stellt Aslan fest: "Es zeigt sich wenig Offenheit der islamischen Kindergärten, an dem Forschungsprojekt mitzuwirken." In welcher Form Aslan seine Anfrage gestellt hat, geht aus dem Bericht nicht hervor. Genau das wäre allerdings im Sinne der Nachvollziehbarkeit von Relevanz.

Mangelnde Nachvollziehbarkeit

Die Erwartungen an den "islamischen Kindergarten" einer nicht genannten Anzahl von Eltern führt Aslan ebenfalls in seiner qualitativen Auswertung an. Darin heißt es etwa: "Schutz der Kinder vor dem moralischen Einfluss der Mehrheitsgesellschaft." Zudem seien die Eltern, deren "Kinder solche Kindergärten besuchen, überwiegend sehr konservativ eingestellt und bringen ihre Kinder mit entsprechenden Erwartungen in die islamischen Kindergärten".

Offenbar sind in den genannten Kindergärten nicht nur Pädagoginnen mit islamischem Religionsbekenntnis tätig. So ist in dem Bericht die Rede von "unterschiedlicher Religionszugehörigkeit unter den qualifizierten Erzieherinnnen". Allerdings wird nicht näher darauf eingegangen. Betreuerinnen in Kindergruppen "sehen sich in ihrer Rolle als eigentliche Vorbilder für die Kinder und nehmen ihre missionarische Rolle sehr ernst", schreibt Aslan. Aufgrund welcher Quelle er dieser Schluss zieht, ist ebenfalls kaum nachvollziehbar.

In weiterer Folge analysiert Aslan das Bildungsangebot ("kaum Unterschied von einem Curriculum in Koranschulen"), die Sprachförderung ("Es ist in diesem Umfeld fast unmöglich, ein Gefühl für die deutsche Sprache zu entwickeln") sowie die religiöse Erziehung in den Kindergärten ("Kinder werden mit einem veralteten Sündenverständnis eingeschüchtert, und es wird ihnen die Entwicklung zur Mündigkeit genommen"). Zuletzt werden in dem Forschungsbericht Vernetzungen diverser islamischer Vereine mit Kindergärten aufgelistet.

Dass für eine tiefere Analyse der Kindergärten Gruppendiskussionen mit Kindern und eine teilnehmende Beobachtung nötig wären, räumt Aslan ebenfalls ein. Auf Anfrage des STANDARD heißt es vonseiten der Universität Wien, man sei prinzipiell an Qualitätssicherung der Forschung interessiert. Dementsprechend fänden regelmäßig Evaluierungen statt.

Fazit: Aslan präsentiert in seiner "Vorstudie" gesellschaftspolitischen Sprengstoff und stützt sich dabei auf wenig Datenmaterial, speziell was den konkreten Einblick in Kindergärten betrifft. Auf die in Studien sonst übliche Gewährleistung der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit, die umfassende Transparenz sowie die Offenlegung und Begründung der einzelnen Untersuchungsschritte wird weitgehend verzichtet.

Aslan verteidigt Studie

Im Ö1-"Mittagsjournal" erklärte Aslan, dass er mit seiner Studie nicht Politik machen, sondern den Kindern helfen wolle: "Mir geht es nicht darum, dass ich die Politik von Integrationsminister Sebastian Kurz unterstütze oder die Politik der Stadt kritisiere." Man habe die Debatte versachlichen und verstehen wollen, wo Radikalisierung ansetze – nämlich sehr früh, wenn die Betreuungseinrichtungen die Kinder zur Isolation ermutigen.

Aslan wies Kritik zurück, dass seine Studie nur sehr oberflächlich durchgeführt wurde. "Wir wissen, was wir tun." Er verwies darauf, dass die Arbeit seines Instituts auch international Anerkennung finde. Jedenfalls habe sich herausgestellt, dass viele Kindergärten einiges zu verbergen hätten. Von der Stadt Wien wünsche er sich mehr Kooperation bei der Analyse muslimischer Kindergärten. (Katrin Burgstaller, 10.12.2015)