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Die SPÖ verweigere sich bei der Unterbringung von Flüchtlingen und blockiere Lösungen, ...

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... die EU-Politik sei ein Scherbenhaufen, beklagt ÖVP-Klubchef Reinhold Loptaka. Er erwarte sich hier keine Lösungen.

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Auf nationaler Ebene drücke sich Bundeskanzler Werner Faymann vor seiner Verantwortung.

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Das Loch im Zaun könnten Polizei und Heer bewachen.

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Wien – ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka wirft dem Koalitionspartner SPÖ Blockade bei der Unterbringung von Flüchtlingen und Bundeskanzler Werner Faymann Untätigkeit vor. "Der Kanzler tritt die Flucht aus der Verantwortung an", sagt Lopatka im STANDARD-Interview.

Faymann trete gerne im Ausland auf, gleichzeitig verhindere die SPÖ in den Gemeinden aber Lösungen für das Flüchtlingsproblem. Die ursprünglich gemeinsame Initiative eines Durchgriffsrechts des Bundes zur Unterbringung von Asylwerbern werde von der SPÖ nicht mitgetragen.

Lopatka: "Im Burgenland gibt es massiven Widerstand. Der Kanzler lässt es zu, dass ein Bundesland in Opposition zur Bundesregierung tritt. Dazu hören wir nichts vom Kanzler. Er lässt die Innenministerin alleine."

Keine Sorgen macht sich der VP-Politiker wegen des acht Meter langen Lochs im Grenzzaun bei Spielfeld, das ein Grazer Ex-VP-Stadtrat verursacht. Dieses könnten Polizei und Bundesheer bewachen

STANDARD: In Asyl- und Integrationsfragen scheinen SPÖ und ÖVP derzeit keine Linie zu finden, da streiten Kanzler und Vizekanzler allwöchentlich vor der Öffentlichkeit. Wie geht's in der Koalition?

Lopatka: Beim Bundeskanzler klafft zunehmend das auseinander, was er sagt, und das, was von der SPÖ an Lösungen vor Ort mitgetragen wird. Der Kanzler tritt die Flucht aus der Verantwortung an. Er tritt gern im Ausland bei größeren und kleineren Gipfeln auf, aber in Österreich haben wir die Situation, dass die SPÖ Lösungen zunehmend blockiert.

STANDARD: Woran machen Sie das fest?

Lopatka: Wir haben mit der SPÖ vereinbart, dass es dort, wo die Bezirke die Quote bei der Unterbringung von Flüchtlingen nicht erreichen, ein Durchgriffsrecht des Bundes geben soll. Wo dieses Durchgriffsrecht jetzt zur Anwendung kommt, gibt es zunehmend Widerstand seitens der SPÖ. Das sind Funktionäre, das sind Abgeordnete und Gewerkschafter, die das boykottieren, das ist aber auch ein ganzes Bundesland. Im Burgenland gibt es massiven Widerstand. Der Kanzler lässt es zu, dass ein Bundesland in Opposition zur Bundesregierung tritt. Dazu hören wir nichts vom Bundeskanzler. Er lässt die Innenministerin allein. Das führt dann zu dem, dass die Bundesregierung so erscheint, wie Sie es beschrieben haben.

STANDARD: Wo gibt es noch eine gemeinsame Linie in der Flüchtlingspolitik?

Lopatka: Wir haben es mit zeitlicher Verzögerung geschafft, zum notwendigen Durchgriffsrecht zu kommen, der Winter steht unmittelbar vor der Tür. Ein reiches Land, das Österreich ist, hat humanitäre Standards zu erfüllen. Das sind wir uns selbst und auch der Flüchtlingstradition schuldig, die Österreich zweifelsohne hat. Das zweite gemeinsame Vorgehen, das ich mir erwarte, ist die Einführung von Asyl auf Zeit und die Erschwernis bei Familienzusammenführungen. Das muss ohne zeitliche Verzögerung kommen.

STANDARD: Der Kanzler engagiert sich auf europäischer Ebene, auf seine Initiative kommt nächste Woche ein Mini-EU-Gipfel der willigen Länder gemeinsam mit der Türkei zustande. Das ist doch eine positive Initiative, oder?

Lopatka: Es ist ein Ansatz. Mehr nicht. Was wir eigentlich brauchen, sind Ergebnisse.

STANDARD: Um diese zu erreichen, muss man sich erst einmal zusammensetzen.

Lopatka: Absolut. Aber man muss auch zu Hause die Hausaufgaben erfüllen. Faymann versucht die Verantwortung an die EU abzutreten. Und dort passiert nichts. Was die Aufteilung der Flüchtlinge betrifft, gibt es keine Lösung.

STANDARD: Das ist nicht unbedingt ein österreichisches Versäumnis.

Lopatka: Nein, das ist mein Vorwurf an die Europäische Union. Darum sage ich: Meine Erwartung hinsichtlich einer europäischen Lösung ist äußerst gering. Auch bei dem Gipfel wird nichts herauskommen. Schweden ist auch schon an der Obergrenze angelangt.

STANDARD: Heißt das im Umkehrschluss, dass die Nationalstaaten wieder mehr gefordert sind, eigene Lösungen zu finden?

Lopatka: Keine Frage hat so deutlich die Grenzen der Möglichkeiten der EU aufgezeigt, wie das jetzt in der Flüchtlingsfrage der Fall ist. Am Ende ist all das, was vom Europäischen Parlament oder von der Kommission vorgeschlagen wurde, Makulatur. Es geht nur das, was die Regierungschefs hier machen. Was die EU bisher ausgezeichnet hat, nämlich die Solidarität und das gemeinsame Ringen um einen Kompromiss, das gibt es in der Flüchtlingsfrage nicht mehr. Die EU-Politik ist hier ein Scherbenhaufen.

STANDARD: Soll es Ihrer Meinung nach Obergrenzen für die Aufnahme von Flüchtlingen geben?

Lopatka: Es soll sie nicht geben, aber de facto gibt es sie, einzelne Staaten haben diese Obergrenzen schon erreicht. Die Schweden sind die Letzten, denen ich einen Vorwurf mache, aber de facto haben sie jetzt eine Obergrenze eingezogen.

STANDARD: Wie schaut das in Österreich aus?

Lopatka: Gott sei Dank haben wir diesen Punkt noch nicht erreicht, aber er wird auch bei uns kommen, da darf man nicht lügen. Wir müssen der Wahrheit ins Auge blicken. Wenn ich die Leute nicht mehr unterbringen kann, wenn die sozialen Sicherheitsnetze nicht mehr halten, wenn die Mindestsicherung Kosten verursacht, die ein ganz großer Teil der Bevölkerung nicht mehr für gerechtfertigt hält, dann haben wir so etwas wie eine Obergrenze erreicht – ob ich das jetzt will oder nicht.

STANDARD: Ist sie schon erreicht?

Lopatka: Solche Monate wie die letzten drei halten wir nicht mehr oft aus. Das ist ein Faktum, wer das leugnet, der verkennt die Situation.

STANDARD: Brauchen wir in Spielfeld tatsächlich einen Zaun?

Lopatka: Die Menschen vor Ort haben subjektiv das Gefühl, dass etwas geschehen muss. Um diesem subjektiven Gefühl Rechnung zu tragen, hat man sich entschlossen, den Zaun zu bauen. Er wird sicher dazu beitragen, dass der Zugang geordnet ablaufen wird.

STANDARD: Der Zaun hat aber ein acht Meter langes Loch.

Lopatka: Man wird mit diesem Grundstücksbesitzer wohl noch weiterverhandeln. Es ist aber einfacher, dass man diese acht Meter mit Bundesheerkräften und Polizisten sichert als die gesamte Strecke von 3,7 Kilometern. (Michael Völker, 11.12.2015)