Als Sozialkommissarin bin ich für die Rechte der Menschen mit Behinderungen zuständig. Permanent sehe ich ihre Benachteiligung in der Gesellschaft und am Arbeitsplatz. Ihre Beschäftigungsquote liegt 23,6 Prozent unter dem Durchschnitt. Armut und soziale Ausgrenzung bedrohen 30 Prozent der Menschen mit leichten oder schweren Einschränkungen, deutlich mehr als im EU-Durchschnitt.

Von Menschen mit Behinderungen habe ich erfahren, welche Möglichkeiten elektronische Geräte und Computerprogramme für eine verbesserte gesellschaftliche Teilhabe bieten. Technologie hat unser Leben und unsere Arbeitswelt verändert. Oft zum Positiven, wenn man an Online-Buchungen, elektronische Steuererklärungen oder E-Mails denkt.

2020 dürften in der EU rund 120 Millionen Menschen leben, deren Beeinträchtigung sie von bestimmten Produkten oder Dienstleistungen fernhält. Wer beispielsweise nicht in der Lage ist, eine Tastatur zu bedienen oder ein Video anzuschauen, ist immer noch von vielem ausgeschlossen.

Wenn die Digitalisierung wirklich zur sozialen Inklusion von Menschen mit Behinderungen, älteren Menschen oder anderen Benachteiligten beitragen soll, müssen wir dafür sorgen, dass Unternehmen ihre Produkte und Dienstleistungen barrierefrei gestalten können. Deshalb schlug ich zuletzt am Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung neue EU-Vorschriften zur Barrierefreiheit vor. Nur so können wir unsere Bemühungen besser koordinieren und den freien Verkehr von barrierefreien Produkten und Dienstleistungen gewährleisten.

Unterschiedliche Umsetzung

Das beruht auf dem UN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, das 2011 bei uns in Kraft trat. Wir, das heißt die EU und die 28 Mitgliedsstaaten, sind fest entschlossen, Produkte, Dienstleistungen und Gebäude zunehmend barrierefrei zu machen. Das Übereinkommen wird in den Mitgliedsstaaten bereits umgesetzt, allerdings in unterschiedlicher Form. Beispielsweise gilt ein Bankomat mit 1,25 Meter Bedienhöhe in Frankreich, Irland und dem Vereinigten Königreich als barrierefrei, in den Niederlanden, Deutschland und Spanien aber nicht.

Unser Ziel sind einheitliche, EU-weite Vorgaben zur barrierefreien Nutzung zentraler Produkte und Dienstleistungen. Hierzu gehören Computer, Fahrscheinautomaten, Smartphones, Fernsehgeräte, Bankdienstleistungen, E-Books und der elektronische Geschäftsverkehr. Solche Vorgaben würden erkennen lassen, welche Merkmale erfüllt sein müssen, um als barrierefrei zu gelten.

Der Vorschlag verdeutlicht, dass ein besseres Funktionieren des Binnenmarktes unser Leben erheblich einfacher machen kann. Nur wenn die EU für klare und einheitliche Regeln sorgt, können wir wettbewerbsfähiger werden und speziell benötigte Produkte und Dienstleistungen günstiger anbieten. Damit dient unser Binnenmarkt der Innovation und der sozialen Inklusion. (Marianne Thyssen, 10.12.2015)