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Das Cyberkalifat und Anonymous bewegen sich am Niveau von "Script-Kiddies", befindet Gaycken.

Schon länger geht das Hacker-Kollektiv Anonymous online gegen die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS oder auch Daesh) vor. Seit dem Angriff auf das Satiremagazin Charlie Hebdo Anfang des Jahres hat man offiziell die "#OpISIS" ausgerufen und die Anstrengungen nach den erneuten Attentaten in der französischen Hauptstadt und in Beirut verstärkt.

Nach eigenen Angaben konnte man in den ersten neun Monaten der "OpISIS" 5.900 Propagandavideos und 101.000 der Organisation zugeordente Twitterkonten melden und rund 150 Webseiten aus dem Netz drängen. Ziel ist es, die Online-Präsenz des IS einzudämmen und seine Rekrutierungsanstrengungen zu torpedieren. Andere, teils aus Anonymous hervorgehende Gruppen wie GhostSec versuchen dagegen primär, in Kommunikationskanäle der Jihadisten einzudringen und die Behörden zu unterstützen.

Anonymous-Angriffe auf IS sind "irrelevant"

Für den Cyberkrieg mit dem IS erhalten die Hackergruppen öffentlich viel Zuspruch. Es gibt allerdings auch kritische Stimmen, die etwa davor warnen, dass ihr Vorgehen die Arbeit der Geheimdienste behindern könnte. Der Sicherheitsexperte Sandro Gaycken von der European School of Management and Technology kommt gegenüber der "Welt" zu einem anderen Schluss. Er sagt, die Maßnahmen, die Anonymous gegen den IS setzt, seien schlicht "irrelevant".

Ein durchaus starkes Statement, das er wie folgt begründet. Die Hacker würden zwar die "Sympathisantennetzwerke" des IS angreifen, hätten bis jetzt aber kaum Zugang zur "strategischen Kommunikation" oder den Propaganda-Apparat gefunden. In Einzelfällen könnten erfahrene Teams wohl tatsächlich an wertvollere Informationen gelangen, generell gelänge so etwas aber nur Behörden oder Geheimdiensten, da diese über wichtige Insiderkontakte verfügten.

Kaum Auswirkungen auf Kernorganisation

Anonymous und Co könnten Foren infiltrieren und die Kommunikation stören und auch IS-Mitglieder identifizieren. Dies betreffe allerdings hauptsächlich die Ebene der "Sympathisanten" der Organisation, entsprechend schlechter seien dort auch die Sicherheitsvorkehrunge im Vergleich zu Netzwerken, die unmittelbar zum Daesh gehören. Letztere zu finden und zu infiltrieren sei selbst für Geheimdienste schwer, ein Grund weswegen man über die Pariser Anschläge nicht vorab gewarnt war.

Cyberkalifat und Anonymous als "Script-Kiddies"

Wenig Angst hat er auch vor dem "Cyberkalifat" des IS, die als Gegenstück zu und "auf dem Niveau von Anonymous" sieht. Den Daesh-treuen Hackern sei gelegentlich der Zugriff auf "sensible Sachen" gelungen, allerdings nur, weil diese nicht ausreichend gesichert worden wären. "Das sind eigentlich Script-Kiddies", attestiert Gaycken.

Das Internet dient dem IS zum Aufbau von Sympathisantennetzwerken, erklärt er weiters. Hauptsächlich würde die Organisation allerdings auf der Straße und in Moscheen auf die Suche nach potenziellen Rekruten gehen.

IT-Söldner als potenzielle Bedrohung

"Bislang ist das völlig irrelevant", resümiert Gaycken den bisherigen Impact von Anonymous und Co auf die Bedrohungslage. Man sorge sich aktuell, dass der IS dazu übergehen könnte, für seine Online-Angriffe künftig auf Söldner zu setzen.

Neben Hackern, die im Darknet ihre Dienste gegen monetäre Entschädigung anbieten, gäbe es auch real greifbare Firmen, die sich nicht für den Hintergrund ihrer Auftraggeber interessieren. Dort könne man "mit einem Koffer voller Bargeld" aufkreuzen und bestimmte Hacks bestellen, die man ohne weitere Fragen dann auch geliefert bekomme. (gpi, 20.12.2015)