Auf die Frage, wie es Lars Sørensen, Vorstandsvorsitzender des Pharmakonzerns Novo Nordisk, zum besten CEO auf dem Ranking der Harvard Business Review geschafft hat, antwortete dieser lakonisch: Glück. Seine Bescheidenheit ist erfrischend – und ehrt ihn. Doch stimmt das auch? Welchen Umständen verdanken Dieter Zetsche (Daimler), Sergio Ermotti (UBS) oder Joe Kaeser (Siemens) ihrem Aufstieg an die Spitze eines Großkonzerns?
Der Wirtschaftswissenschafter Markus Fitza von der Texas A&M University hat sich in einer Studie, die kürzlich im Strategic Management Journal veröffentlicht wurde, die Performancedaten von 1500 großen US-Firmen im Zeitraum zwischen 1993 und 2012 angesehen. Fitza wollte wissen, wie groß der Effekt des Zufalls auf die Leistung des CEOs ist. Die Annahme war, dass Zufälle, negativer oder positiver Art, einen wesentlichen Einfluss auf die Leistung haben können.
Was dem einen schadet ...
Zum Beispiel ein Skandal bei einem Konkurrenten, der die Auftragsbücher voll macht, oder ein Unfall bei einem Zulieferer, der die Absatzzahlen reduziert. Bedenkt man, dass die meisten Vorstandsvorsitzenden meist nur vier Jahre oder weniger im Amt sind, wirken sich externe Effekte umso stärker aus. Fitza führte eine komplexe Varianzdekomposition durch, eine Methode, um die prozentuale Abweichung einer bestimmten Variable (in dem Fall Glück) herauszufinden. Das Ergebnis: 70 Prozent des CEO-Effekts ist auf Glück zurückzuführen.
Zählt also vielmehr Glück als Führungsstärke? "Die Studie zeigt, dass es sehr schwierig ist, zwischen dem Einfluss von Glück und dem Einfluss der Fähigkeiten auf die CEO-Leistung zu unterscheiden", sagt Professor Fitza auf Anfrage. "Der Befund legt nahe, dass ein großer Teil der Performanceunterschiede zweier CEOs auf Glück zurückzuführen sind." Demnach hat der Faktor Zufall einen größeren Einfluss auf die Unternehmensführung als die Kompetenz des Vorstandschefs. Das klingt provokant.
Führungswechsel unter der Lupe
Eine Studie von Dirk Jenter und Fadi Kanaan (CEO Turnover and Relative Performance Evaluation), in der mehr als 3000 Führungswechsel zwischen 1993 und 2009 untersucht wurden, kam zu dem Ergebnis, dass CEOs häufig aus Gründen entlassen wurden, die außerhalb ihrer Macht standen – besonders häufig in Rezessionen oder infolge einer Industriekrise. Das sind freilich Umstände, die nichts mit Managementqualitäten zu tun haben. Gleichwohl: Irgendwelche Führungsqualitäten müssen Topmanager mitbringen.
CEOs sind zwar überdurchschnittlich intelligent, aber nicht unbedingt klüger als ihre Mitarbeiter. Dafür besitzen sie eine besondere Kompetenz, die der Managementprofessor Brian Uzzi "multivocal leadership" nennt. Chefs können sich deutlich besser in das Denken anderer hineinversetzen und auf die Sprachebenen mit Spezialisten einlassen. Auch wird ihnen besonderes Durchsetzungsvermögen attestiert.
Zwischen Talent und Leistung
Studien zeigen, dass der "CEO-Effekt", also der Einfluss des Vorsitzenden auf den Konzern, relativ begrenzt ist (Fitza beziffert ihn zwischen zwei und 22 Prozent). Wenn man die glücklichen Umstände einmal beiseitelässt – welche Faktoren bestimmten dann die Leistung eines Vorstandsvorsitzenden?
Matti Keloharju, der an der Harvard Business School eine Studie ("Are CEOs Born Leaders?") zu dem Thema vorgelegt hat, sagt: "Es ist schwierig, diese Faktoren zu identifizieren, weil die Kompetenz des CEO sich nicht in der Unternehmensleistung niederschlägt. Es gibt keinen positiven Zusammenhang zwischen der Talentmessung und der Performance der Firma."
Nicht wie im Labor
Man müsse bedenken, dass der Befund auf Datenbeobachtungen beruht und nicht auf einem Kontrollexperiment, bei dem man den Talenteffekt ausschließen könnte. "Wenn wir ein Experiment durchführen könnten, in dem talentierte CEOs zufällig kleinere Firmen und weniger talentierte Manager große Firmen führten, bin ich sicher, dass wir einen Zusammenhang zwischen Talent und Leistung feststellen können", so Keloharju. Allein Wirtschaft funktioniert nicht wie im Labor.
Generell sei es schwierig, äußere Einflüsse auf die Unternehmensleistung zu quantifizieren. Aber vielleicht haben die Zuckerbergs und Zetsches dieser Welt einfach nur viel Glück. (Adrian Lobe, 17.12.2015)