Wien – Nach Pensionen und Kindergärten hat die ÖVP ein weiteres Thema gefunden, um dem rot-grün regierten Wien und der SPÖ im Allgemeinen politisch am Zeug zu flicken. Auch im Gesundheitsbereich gebe es Fehlentwicklungen, sagte Klubobmann Reinhold Lopatka am Freitag anlässlich einer Enquete im ÖVP-Parlamentsklub. Die Kritik von SPÖ-Seite an seiner Vorgangsweise wies er zurück.

Oberhauser für ÖVP-Klubchef in Verzug

Bei der Enquete ging es um Kindergesundheit, Vorsorge und die Sicherstellung der Hausarztversorgung. Besonderem bei letzterem sieht Lopatka Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) in Verzug. Einem einstimmig verabschiedeten Entschließungsantrag des Nationalrats aus dem Jahr 2013 sei die Ministerin bis heute nicht nachgekommen.

Ebenso habe sie ihr "Primary Health Care"-Gesetz noch nicht vorgelegt; ein von Bund, Ländern und Sozialversicherung angestrebtes Gesetzesvorhaben, das fast ausschließlich von der Ärztekammer bekämpft wird. Mit Gesundheitssprecher Erwin Rasinger hat diese einen langjährigen Mitstreiter im ÖVP-Klub sitzen. Dass er mit der Stimme der Ärztekammer spreche, wies Lopatka dennoch zurück. Eher vertrete er den Gemeindebund und die Bürgermeister, die sich um die Versorgung der ländlichen Bevölkerung Sorgen machten.

Kritik an Bürokratie in Wien

Den Großteil der Versäumnisse verortete Lopatka aber ohnehin im rot-grünen Wien. Verantwortlichkeiten würden hier zwischen Gebietskrankenkasse und Stadtregierung hin und her geschoben. "Es werden Leistungen eingeschränkt und Bürokratien ausgeweitet", so sein Vorwurf, und es gebe eine Chefarztpflicht, die in anderen Bundesländern nicht mehr existiere.

Auch die lange Wartezeiten auf Magnetresonanz-Untersuchungen für Kassenpatienten – schon lange ein Konfliktthema zwischen Sozialversicherungs-Hauptverband und Radiologen – wertete Lopatka als Versäumnis Wiens. "Gerade eine Zweiklassenmedizin zu vermeiden, war immer Anspruch der Sozialdemokratie", sagte er. "In Wien ist man an der Kippe, ob man dem noch gerecht wird."

Keine Gefährdung für Koalitionsfrieden

Dass er mit seinen Vorwürfen gegen die SPÖ den Koalitionsfrieden untergrabe und an einer Neuauflage einer schwarz-blauen Koalition arbeite, wie es ihm SPÖ-Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid in einer Aussendung vorwarf, ließ Lopatka nicht gelten. Auch eine konzertierte Aktion von ÖVP-Seite zur Unterstützung ihrer schwächelnden Landespartei in Wien wollte er nicht sehen. "Das ist von mir keine Absage zu einer konstruktiven Zusammenarbeit, sondern ein Aufruf auch für einen Beitrag der Stadt Wien, dass wir insgesamt erfolgreich sein können."

SPÖ sieht rot wegen Destruktivität

Schmid hatte zuvor ein klares Bekenntnis zur gemeinsamen Regierungsarbeit von der ÖVP eingefordert. "Fast täglich kommen von führenden Vertretern der ÖVP Wortmeldungen, die vorwiegend von Destruktivität gekennzeichnet sind", so sein Vorwurf. Neben Lopatka ließ dies auch ÖVP-Generalsekretär Peter McDonald nicht gelten. "Wir nennen die Dinge beim Namen – das ist nicht destruktiv, sondern verantwortungsvoll. Fürchten Sie sich nicht davor, sondern packen Sie mit uns an", forderte er in einer Aussendung. "Problemfelder zu ignorieren oder schönzureden – das ist destruktiv und hilft nicht nur nicht weiter, sondern schadet unseren Kindern." (APA, 11. 12. 2015)