Wien – Im November haben sich die Parlamentsparteien darauf verständigt, über strengere Regeln für den Amtsverlust von Abgeordneten im Falle einer gerichtlichen Verurteilung zu verhandeln. Nun liegt dazu ein gemeinsamer Antrag der Koalitionsparteien und des Team Stronach vor. Die neuen Regeln sollen nicht nur für Abgeordnete gelten, sondern auch für Regierungsmitglieder und andere oberste Organe.

Hürden bei Freiheitsstrafen gesenkt

Konkret soll ein Abgeordneter künftig sein Mandat verlieren, wenn er wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat zu mehr als sechs Monaten Haft bzw. zu einer bedingten Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr verurteilt wurde. Auch für Regierungsmitglieder, den Bundespräsidenten, Landeshauptleute, den Rechnungshofpräsidenten, die Volksanwälte und Landtagsabgeordneten sind analoge Regelungen vorgesehen, wobei die Länder für ihren Zuständigkeitsbereich auch strengere Regeln treffen können. Außerdem werden mit dem Antrag einige Gesetzeslücken geschlossen, etwa was die Möglichkeit einer Anklage der Volksanwälte beim Verfassungsgerichtshof wegen einer schuldhaften Gesetzesverletzung betrifft, berichtete die Parlamentskorrespondenz am Freitag.

Koppelung mit passivem Wahlrecht

Wie bisher bleiben die Bestimmungen über den Amtsverlust von Abgeordneten mit der Wählbarkeit einer Person zum Nationalrat gekoppelt. Anders als bisher stellt die entsprechende Bestimmung in der Nationalrats-Wahlordnung aber nicht mehr auf eine einjährige Freiheitsstrafe ab. Vielmehr geht man des passiven Wahlrechts in Hinkunft vorübergehend schon dann verlustig, wenn man wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener und von Amts wegen zu verfolgender gerichtlich strafbarer Handlungen rechtskräftig zu mehr als einem halben Jahr Haft bzw. zu mehr als einer einjährigen bedingten Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Durch die Koppelung gilt das analog auch für den Mandatsverlust.

Verfassungsgerichtshof bleibt eingebunden

Neu ist außerdem, dass die Bestimmungen über den Amts- bzw. Mandatsverlust künftig nicht nur für Abgeordnete zum Nationalrat und zum Europäischen Parlament gelten sollen, sondern für alle obersten Organe der Vollziehung, also auch den Bundespräsidenten, die Mitglieder der Bundesregierung, die Staatssekretäre, die Volksanwälte und den Rechnungshofpräsidenten.

Endgültig über einen Amtsverlust entscheidet wie bisher der Verfassungsgerichtshof. Entsprechende Anträge sind vom Nationalrat bzw. vom zuständigen Landtag, im Falle des Bundespräsidenten von der Bundesversammlung, einzubringen. Geht ein Regierungsmitglied seines Amtes wegen einer gerichtlichen Verurteilung verlustig, ist auch eine – vorübergehende – Wiederannahme des Nationalratsmandats nicht möglich.

Penibles Prozedere

Für das Prozedere der Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof sind im Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrats neue Regelungen vorgesehen. Demnach soll der Präsident bzw. die Präsidentin des Nationalrats dazu verpflichtet werden, bei Kenntnis einer maßgeblichen Verurteilung nach Rücksprache mit den Mitgliedern der Präsidialkonferenz binnen vier Wochen den Amtsverlust zu beantragen. Tut er/sie das nicht, kann der Nationalrat mit einfacher Mehrheit einen entsprechenden Beschluss fassen. Kommt auch ein solcher nicht zustande, geht das Recht der Antragstellung auf ein Drittel der Abgeordneten über.

Betrifft die Verurteilung den Präsidenten bzw. die Präsidentin selbst gilt die übliche Vertretungsregel durch die beiden anderen Nationalratspräsidenten. Ausdrücklich klargestellt wird außerdem, dass ein Präsident des Nationalrats auch sein Amt verliert, wenn er wegen einer gerichtlichen Verurteilung seines Mandats verlustig geht. Eine Änderung der Strafprozessordnung soll sicherstellen, dass der Nationalrat bzw. der zuständige Landtag Kenntnis von Verurteilungen erlangt.

Zweidrittelmehrheit noch gesucht

Die Gesetzesinitiative soll im Justizausschuss vorberaten werden. Zuvor ist wegen der vorgeschlagenen Änderung des Geschäftsordnungsgesetzes des Nationalrats allerdings noch eine Erste Lesung notwendig. Für einen endgültigen Beschluss braucht es wegen der erforderlichen Zweidrittelmehrheit auch die Zustimmung entweder der FPÖ oder der Grünen. Ursprünglich wurden die neuen Regeln mit der Zustimmung aller Parlamentsparteien mit Ausnahme der Grünen vereinbart. Nun wollten aber nicht nur die Grünen, sondern auch FPÖ und Neos offenbar noch die Begutachtung abwarten. Der Antrag wurde nämlich nur von SPÖ, ÖVP und Stronach eingebracht.

In Kraft treten sollen die neuen Regeln grundsätzlich mit 1. Juli 2016. Die Länder sollen allerdings ein zusätzliches Jahr, bis 1. Juli 2017, Zeit bekommen, die Landesgesetze an die neuen Verfassungsbestimmungen anzupassen. (APA, 11. 12. 2015)