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"Hallo, Mia", schreibt mir der Mann mit dem langen weißen Bart.

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Wer hat eigentlich behauptet, dass Geben seliger ist als Nehmen? Okay, mit der Bibel will man sich nicht anlegen. Dass aber kleine Geschenke die Freundschaft erhalten, steht wiederum nicht im Buch der Bücher, sondern ist ein deutsches Sprichwort, dem sich einiges abgewinnen lässt. Es geht um Weihnachten und darum, dass ich immer öfter Menschen begegne, die mir froh und munter sagen: "Wir? Wir schenken uns nichts!"

Aber nein, da geht es nicht etwa um einen umsichtigen und kritischen Konsumverzicht zugunsten notleidender Menschen, die alles viel dringender brauchen als wir. Dieses "Wir schenken uns nichts" bezieht sich nämlich nicht auf alle Familienmitglieder, sondern nur auf die Alten. Die lieben Kleinen bekommen jede Menge unter den Baum geschaufelt: Sechser-iPhones, sündteure Sneakers, die neue Xbox, Barbie-Wolkenkratzer und so weiter und so fort. Aber "wir", heißt es da in aller Bescheidenheit, "wir schenken uns nichts!"

Sich gegenseitig einschenken

Hören Sie genau hin: Wir schenken uns nichts! Wie klingt denn das? Richtig. Gemein klingt das. Und so ein Satz, der hat ja nicht umsonst seine doppelte Bedeutung. "Sich nichts mehr schenken" heißt so viel wie "sich gegenseitig ständig einschenken" (gemeint sind damit keine Getränke!) – und davon ist in jeder Beziehung dringend abzuraten. Schenken soll Freude bereiten und keinen Druck erzeugen. Die alten Chinesen sagten: Wer ein Rind geschenkt bekommt, muss ein Pferd zurückgeben. So gesehen ist Weihnachten ein Segen, da man ja Rind und Pferd gleichzeitig auspacken muss – und nicht wie etwa bei Geburtstagsgeschenken verzögert zum Gegengeschenksschlag ausholen muss, zumindest wenn man ein Sprichwörter-gewissenhafter Chinese ist.

Alles geschenkt

Die lieben Kleinen, die reichlich beschenkt werden, haben – schenkt man einer aktuellen E-Mail-Aussendung Glauben – aber ganz andere Sorgen. Die fürchten sich angesichts der steigenden Zahl von Eltern, die Weihnachten nicht mehr zu Hause feiern wollen, davor, dass der Weihnachtsmann sie nicht mehr findet. Unter "weihnachtsmann-wegweiser.de" wird diesen zutiefst verunsicherten Kindern jetzt geholfen.

"Hallo, Mia", schreibt mir der Herr mit dem langen weißen Bart in einer Mail, "vielen Dank, dass du uns gesagt hast, wo du Weihnachten verbringen wirst. Jetzt wissen wir, wohin wir deine Geschenke bringen sollen." Da bin ich fast gerührt. Ho ho ho, der Weihnachtsmann kennt jetzt aber auch meine E-Mail-Adresse und weiß sicher schon, womit er meinen Mail-Account im nächsten Jahr zumüllen wird. Geschenkt! Das Christkind war mir immer schon lieber. (Mia Eidlhuber, 13.12.2015)