Es war ein vergleichsweise harmloser Skandal, der jedoch involvierte Diplomaten 1738 teils an den Rand der Verzweiflung getrieben haben muss. Im Jahr davor hatte die spanische Königin Elisabetta Farnese die Vermählung zwischen ihrem Erstgeborenen Carlos mit Maria Amalia von Sachsen arrangiert. Die königliche Prinzessin von Polen und kurfürstliche Prinzessin von Sachsen war gerade mal 13 Jahre alt, als sie den damaligen König Karl IV. von Neapel-Sizilien ehelichte.
Im Umfeld der Hochzeit wurden zwischen den Höfen Geschenke "ausgetauscht", wobei es selbstredend nur Wertvolles von erlesener Güte zu sein hatte. Dazu gehörten auch exquisite Objekte und Garnituren aus Porzellan, die eigens in der Meissener Manufaktur hergestellt wurden und an Qualität unübertroffen waren. 17 Kisten sollten ihre Reise nach Spanien antreten, die Graf von Brühl einem gewissen Don Louis de Moncada et Velasco überantwortet. Was der Leiter der Manufaktur nicht wusste: Velasco war ein findiger Betrüger, der einem spanischen Botschafter vier Millionen Florin entlockt hatte und den man bereits quer durch Europa jagte.
Steckbrieflich gesucht
Der in zahlreichen Hauptstädten veröffentlichte Steckbrief beschrieb ihn als elegant gekleideten Mann von "etwa 24 Jahren, klein, von guter Statur, sonnengebräunt, blonde Perücke, dunkle Augenbrauen und blaue Augen", in der Konversation in Französisch, Spanisch und Italienisch versiert.
Die hunderte Seiten umfassende Korrespondenz zwischen den beiden Herrscherhäusern zu dieser Causa wird bis heute in Dresden verwahrt. Trotz verlockenden Finderlohns blieb der Fahndungserfolg allerdings aus, schildert Maureen Cassidy-Geiger, eine amerikanische Kunsthistorikerin und Meissen-Koryphäe, in einem ihrer Beiträge. Die Kisten mit der wertvollen Porzellanfracht fanden sich jedenfalls knapp drei Monate nach Velascos Verschwinden im Hafen Livornos und wurden der spanischen Königin unversehrt überreicht. Auch Maria Amalia, nunmehr Königin von Neapel-Sizilien, erhielt von ihrem Vater, Kurfürst Friedrich August II. von Sachsen und König von Polen, anlässlich ihrer Vermählung ein Geschenk: ein silbervergoldetes Service, zu dem auch Porzellan gehörte, konkret "6 Schaelgen und Coppgen inwendig gantz verguld, mit dem Koenigl. Pohl. Saechs. und Sicilianischen Wappen 6 Choclate Becer bedies in die grosse Toilett gehoerig".
Die Silberteile dürften später eingeschmolzen worden sein, von den Porzellanen haben sich immerhin drei Becher und vier Teeschalen erhalten, die stückweise seit 1970 auf den Markt gelangten. Bonhams versteigerte 2009 beispielsweise einen Becher (Hoffmeister Collection), der 34.830 Euro erzielte. Diese Woche gelangte ebendort in London ein weiterer, knapp sieben Zentimeter hoher Becher zur Versteigerung und wechselte für umgerechnet stolze 34.544 Euro den Besitzer.
Der höchste Wert der Sitzung wurde jedoch für eine mit Chinoiseriemotiven bemalte Henkeltasse mit Untertasse bewilligt, die aus einem Service stammte, das einst Clemens August von Bayern (ab 1723 Erzbischof von Köln) gehörte. Für knapp 103.000 Euro wechselte das Ensemble in die Museumssammlung der in Brühl gelegenen Schlösser Augustusburg und Falkenlust, die der prunkliebende Rokokofürst ab 1725 erbauen ließ. (Olga Kronsteiner, Album, 11.12.2015)