Hohenems – Kurz vor Weihnachten steht den Menschen in Hohenems der Sinn nicht unbedingt nach Wahlen. Fragt man Passanten in Hohenems, schwankt die Stimmung eine Woche vor der Wiederholung der Bürgermeister-Stichwahl zwischen lustlosem Pflichtbewusstsein – "dann muss man halt schon wieder wählen gehen" – und Ablehnung: "Die sollen mich in Ruhe lassen mit ihrer Politik."
Gewinnen wird die Wahl, wer die eigene Klientel, vor allem aber die Lustlosen mobilisieren kann. Einen vom Institut Berndt erhobenen Anteil von 20 Prozent Unentschlossenen hält Bürgermeister Richard Amann (VP) für unrealistisch. "Die Leute wissen genau, wen sie wählen wollen. Die Frage ist nur, ob sie auch zur Wahl gehen." Bei der Stichwahl im März lag die Beteiligung bei 64,4 Prozent.
Notwendig wurde die Wahlwiederholung dieser Stichwahl, weil Wahlkarten nicht gesetzeskonform ausgegeben wurden, wie der Verfassungsgerichtshof entschied. Angefochten hatte die Wahl der knapp unterlegene FPÖ-Kandidat Dieter Egger. Ihm fehlten lediglich 121 Stimmen.
Eggers Niederlage sei Grund für die Anfechtung, nicht die Formalfehler, argumentiert die Volkspartei. "Bei der Gemeinderatswahl wurden die Wahlkarten völlig gleich ausgegeben, da gab es keine Anfechtung", ist auf der Facebook-Seite der Hohenemser Ortspartei zu lesen.
FPÖ macht Luftblasen
Bei der Gemeindevertretungswahl wurde die FPÖ mit 16 Mandaten stärkste Fraktion. Die ÖVP errang zwölf Sitze, Grüne/Emsige erhielten sechs, die SPÖ und die Bürgerbewegung je ein Mandat. "Ohne Mehrheit braucht man viel Fingerspitzengefühl", sagt Bürgermeister Amann. Dieses Gespür attestieren ihm die Grünen: Amann habe in seiner zehnjährigen Amtszeit aus einer zutiefst zerstrittenen Stadtvertretung ein dialogbereites Gremium gemacht.
Vizebürgermeister Bernhard Amann (Grüne/Emsige) gab am Freitag bei einer Pressekonferenz zusammen mit SPÖ-Stadtvertreterin Elisabeth Märk eine Wahlempfehlung für Amann ab. Egger, der mit dem Slogan "Ein Bürgermeister mit Anstand und Herz" wirbt, sei ein "Luftblasenpolitiker", sagt Märk. Er mache über Facebook und Presseaussendungen Politik, nicht in den Gremien.
"Da wird eine Volksabstimmung zur Verkehrspolitik angekündigt", nennt Amann ein Beispiel, "Unterschriften für eine Volksabstimmung hat die FPÖ aber auch nach sechs Monaten noch nicht gesammelt". Auch Eggers Wahlkampfansage, man solle die Politikergehälter kürzen, habe keine Entsprechung in der Realität.
"Das schreibt Egger in einer Presseaussendung, Anträge dazu hat die FPÖ weder im Stadtrat noch im Finanzausschuss gestellt." Märk wirf Egger vor, "Strache-Politik" nach Hohenems zu bringen. "Er verlangt ein Bettelverbot, obwohl Bettler in Hohenems kein Problem sind." Egger wettere gegen Sozialwohnungen, werbe aber bei Wohnungssuchenden für sich. Vizebürgermeister Amann spricht Egger die Glaubwürdigkeit ab, Bürgermeister einer Stadt mit einer jüdischen Geschichte sein zu können. Egger war für eine Stellungnahme zu den Vorwürfen nicht erreichbar.
Weitere Klagen
Die Stichwahl vom März wird die Gerichte weiter beschäftigen. Die Grünen wollen gegen eine frühere Kandidatin klagen, die Egger Lügen über Wahlwerbung und Wahlkartenbeschaffung in einem Migrantenverein erzählt habe.
Die Neos wiederum, die in Hohenems nicht vertreten sind, haben eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft geschickt. Sie vermuten in Hohenems und Bludenz, wo die Wahl ebenfalls wiederholt werden muss, Amtsmissbrauch der Bürgermeister als Wahlleiter. Gegen Beamte wird in beiden Städten bereits von der Staatsanwaltschaft ermittelt. (Jutta Berger, 11.12.2015)