SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder ist über die jüngsten Angriffe aus der ÖVP verärgert.

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Die Innenministerin nutze das Durchgriffsrecht zur Schaffung von Betreuungsplätzen nicht ausreichend, kritisiert Schieder.

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Der SPÖ-Klubobmann vermisst auf internationaler Ebene die Unterstützung der ÖVP.

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Unsolidarischen Ländern in der EU würde Schieder die europäischen Fördermittel streichen.

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Fest steht für ihn: Abgewiesene Flüchtlinge müssten konsequenter zurückgeführt werden: "Das Innenministerium ist hier säumig."

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Wien – SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder fordert Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) auf, die Rückführung jener Flüchtlinge, die keinen Asylstatus erhalten haben, zu forcieren. "Hier ist das Innenministerium total säumig", beklagt Schieder.

Abgelehnte Asylwerber, die aus anderen Ländern als aus Syrien oder Afghanistan kommen, müssten konsequent abgeschoben werden. Schieder kritisiert im Interview mit dem Standard auch, dass die Innenministerin zu wenig unternehme, um Flüchtlinge unterzubringen. Keines der ÖVP-geführten Bundesländer würde die Quote zur Flüchtlingsunterbringung erfüllen. Laut einer am Freitag veröffentlichten Imas-Umfrage befürworten mehr als die Hälfte der Österreicher den im Bau befindlichen Grenzzaun in Spielfeld, um die Einreise von Flüchtlingen zu kontrollieren. 85 Prozent wollen ein Fortführen der Grenzkontrollen sowie eine Aufnahme-Quote für alle EU-Länder.

Die Landespolizeidirektion Steiermark hat nach den kolportierten zehn Millionen Euro Kosten für den Grenzzaun die Ausgaben relativiert. Demnach werde der Drahtzaun gemietet, wofür 330.000 Euro für ein halbes Jahr anfallen.

STANDARD: Wie läuft es denn mit der ÖVP? Das ging schon einmal besser, oder?

Schieder: Es klafft ein Loch zwischen der Sacharbeit und der öffentlichen Darstellung. Die Parlamentsbeschlüsse diese Woche waren gut und wichtig.

STANDARD: Und wie schaut es mit dem Klima aus?

Schieder: Manchmal leidet das Klima. Ob es das Klima ist oder das Wetter, das weiß man nicht. Jedenfalls ist die Stimmung nicht so gut. Die ÖVP versucht, bei Viktor Orbán Anschluss zu finden, und wirft gleichzeitig dem Bundeskanzler vor, dass er mit der deutschen christdemokratischen Partnerin an einer Lösung des Flüchtlingsproblems arbeitet. Das ist absurd.

STANDARD: Kamen die jüngsten Vorwürfe, die ÖVP-Klubobmann Lopatka im Standard geäußert hat, für Sie überraschend?

Schieder: Nein, das ist schon öfter vorgekommen. Aber es wäre besser, wenn er vor der eigenen Tür kehren würde. Da soll er sich einmal in seiner eigenen Partei dafür engagieren, dass sich die zuständigen Minister stärker der Problemlösung annehmen.

STANDARD: Sie sprechen hier die Innenministerin an?

Schieder: Durchaus. Wir haben seit Oktober etwa 20.000 Flüchtlinge, die um Asyl angesucht haben. Im selben Zeitraum gilt auch das Durchgriffsrecht. Aber nur 3000 Unterbringungsplätze wurden aufgrund dieses Durchgriffsrechts geschaffen. Die Innenministerin hat uns damals gesagt, sie braucht das Durchgriffsrecht, um Quartiere schaffen zu können. Mein Vorschlag wäre, dass sie das jetzt endlich stärker zur Anwendung bringt und nicht die ÖVP-Länder damit verschont. Die Länder, die am deutlichsten die Quote verfehlen, sind Tirol, da fehlen 1149 Plätze, und Oberösterreich, da fehlen 1133 Plätze. Es wäre notwendig, dieses Durchgriffsrecht auch in diesen Bundesländern zur Anwendung zu bringen. Dort blockieren ÖVP-Lokalpolitiker die Flüchtlingsunterbringung.

STANDARD: Es sind aber auch SPÖ-Abgeordnete wie Josef Muchitsch und Daniela Holzinger, die sich gegen zusätzliche Quartiere starkmachen. Und im Burgenland gibt es einen roten Landeshauptmann, der massiv Stimmung gegen weitere Quartiere macht und diese gemeinsam mit seinem Landesrat Norbert Darabos blockiert.

Schieder: Das ist alles richtig. Glaubwürdig wäre die von der ÖVP geführte Diskussion aber dann, würden sich die Innenministerin und der ÖVP-Klubobmann mit aller Härte einmal mit dem oberösterreichischen und dem Tiroler Landeshauptmann, beides keine SPÖ-Politiker, auseinandersetzen. In Wien sind wir 20 Prozent über der vorgeschriebenen Quote – mit einem roten Landeshauptmann.

STANDARD: Wir brauchen uns da nicht in den Sack zu lügen: Es gibt sowohl bei der SPÖ als auch bei der ÖVP Bürgermeister, die sich vehement gegen die Aufnahme von Flüchtlingen wehren.

Schieder: Ich möchte das auch nicht kleinreden. Es gibt hier eine Fülle an Problemen. Wir müssen in der Information vor Ort besser werden, es muss die Bevölkerung eingebunden werden. Die Verfahren müssen beschleunigt werden, und was ich ganz stark vermisse, ist ein Thema, das sicherlich ein schwieriges ist: Die Rückführung jener Leute, die keinen Asylstatus bekommen, muss forciert werden. Hier ist das Innenministerium total säumig. Das ist dringend notwendig, vor allem bei Leuten aus jenen Ländern, wo bekannt ist, dass es keine Gefährdung gibt. Da geht es nicht um Syrien und Afghanistan. Aber die anderen müssen zurückgeführt werden, das gehört auch zum System. Die ÖVP ist immer darum bemüht, medial Aufregung zu erzeugen. Wenn man Probleme lösen will, muss man aber auch die Kleinarbeit angehen, muss Quartiere suchen und die Bürgermeister überzeugen – auch die ÖVP-Bürgermeister. Es ist scheinheilig, wenn die ÖVP das Problem auf den Koalitionspartner abwälzen will.

STANDARD: Da muss ich noch einmal das Burgenland anführen ...

Schieder: Das können Sie, aber die ÖVP kann nicht an Vorarlberg, Tirol, der Steiermark, Salzburg und Oberösterreich vorbeiargumentieren, allesamt schwarze Landeshauptleute. An dieser Frage kann sich die ÖVP nicht vorbeischummeln.

STANDARD: Was halten Sie vom Grenzzaun in Spielfeld?

Schieder: Ausgerechnet ein ehemaliger ÖVP-Politiker weigert sich, seinen Grund für den Zaun herzugeben. Und ein angesehener Weinbauer, der alles andere als ein Sozialdemokrat ist, führt interessante Argumente gegen den Zaun ins Treffen. Was sich hier deutlich zeigt: Mit einer solchen Symbolaktion lassen sich keine Probleme lösen. Wir müssen auch auf internationaler Ebene Lösungen erarbeiten. Hier sollte die ÖVP die Aktivitäten des Bundeskanzlers unterstützen und vor allem dort, wo ihre Schwesterparteien regieren, Druck machen. Es ist nicht einzusehen, dass Polen, Ungarn, die Slowakei oder Rumänien glauben, sich aus der europäischen Solidarität herausnehmen zu können. Wenn die ÖVP schon eine Delegation zu Orbán schickt, soll sie ihm mit aller Härte sagen, was wir von Ungarn erwarten. Wir müssen die Flüchtlinge fair auf ganz Europa aufteilen. Diese Last können Österreich, Schweden und Deutschland nicht allein tragen.

STANDARD: Glauben Sie noch an die Lösungskompetenz der Europäischen Gemeinschaft?

Schieder: Dieses Problem können wir in Europa nur gemeinsam in den Griff kriegen. Es braucht einen europäischen Ansatz in der Friedenspolitik vor Ort, es braucht einen europäischen Ansatz für die Hotspots, und es braucht eine europäische Aufteilung. Ich bin auch dafür, dass man deutlich sagt: Die europäische Solidarität ist keine Einbahnstraße. Wer von den Nettozahlern finanzierte Fördermittel in Europa bekommen will, muss auch bereit sein, solidarisch an der Aufteilung der Flüchtlinge mitzuwirken. Wenn Länder glauben, sie können sich da rausnehmen, wie die osteuropäischen Staaten, dann wird es unvermeidbar sein, dass man Zahlungen an diese Länder in Zukunft einfriert. Davor würde ich nicht zurückschrecken. (Michael Völker, 12.12.2015)