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Pressspanplatte statt Lattenrost in Zimmern mit verschimmelten Wänden: Szene aus der Pension in Pama beim Folgebesuch im Jahr 2014.

foto: apa/dossier

Eisenstadt/Wien – Die Umstände, unter denen Asylwerber im Rahmen der Grundversorgungsvereinbarung in manchen Landgasthöfen und anderen Privatquartieren leben müssen, haben in den vergangenen Jahren mehrfach für Skandale gesorgt – weil sie via Medienberichte an die Öffentlichkeit kamen. Ein dem STANDARD vorliegender Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt könnte das künftig erschweren, beurteilt er doch die Vor-Ort-Recherche der Aufdeckerplattform "Dossier" in einem Gasthof im burgenländischen Ort Pama als Besitzstörung. Strafhöhe samt Verfahrenskosten: rund 2.000 Euro.

Strafwürdige "journalistische Taktik"

Die "Dossier"-Mitarbeiter hatten sich von Asylwerbern in das Haus einladen lassen und die Unterkunftgeber danach mit dem Beobachteten konfrontiert. Dadurch hätten sie eine "journalistische Taktik" an den Tag gelegt, die gegen die Eigentumsfreiheit laut Paragraf 354 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs verstoße, heißt es in dem Spruch. "Dieser könnte durchaus auf andere Recherchen im Asylquartier-Bereich übertragbar sein", befürchtet "Dossier"-Chefredakteur Florian Skrabal.

Nun war die Wohnsituation, die Skrabals Mitarbeiter im Jahr 2013 in dem Wirtshaus vorfanden, tatsächlich höchst dokumentationsbedürftig: "In den Wohnräumen wuchert der Schimmel, die 13 Männer schlafen direkt neben den grau-schwarzen Flecken an den Wänden. Die Matratzen, Sofas und Kästen sind verdreckt, Strom und Gas rationiert. Warmwasser und Heizung fallen immer wieder aus", schilderten sie. Der Besuch fand im Zuge einer flächendeckenden "Dossier"-Recherche in 104 burgenländischen, niederösterreichischen und salzburgerischen Asylquartieren statt.

Allerschlechtestes Quartier

Das Quartier in Pama sei im ganzen Burgenland "das schlechteste", hielten die Journalisten 2013 fest. Und fanden auch bei einem Folgebesuch ein Jahr später noch Bedenkliches vor: Zwar sei das Quartier inzwischen "entrümpelt worden", man habe auch "einen Staubsauger angeschafft". Doch Strom und Gas seien nach wie vor rationiert, und auch der "großflächige Schimmelbefall in den Schlafräumen" existiere weiter, fassten sie schriftlich zusammen.

"Daraufhin hat der Gasthofbesitzer Klage erhoben", schildert Skrabal. Im folgenden, vom Bezirks- zum Landesgericht über zwei Instanzen reichenden Verfahren waren die gesundheitsschädlichen Zustände ohne jede Relevanz. Stattdessen setzten sich die Richter etwa mit der Frage auseinander, ob ein Asylwerber "wie ein Mieter" das Recht habe, in seinem Quartier Besucher zu empfangen, ohne den Unterkunftsbesitzer zu informieren. Die Antwort aus Eisenstadt: nein.

Recht auf Recherche kein Thema

Eine Interessenabwägung zwischen Gasthof-Eigentümerrechten und journalistischem Rechercheinteresse wiederum wurde von den Richtern gar nicht erst unternommen. Das sei auch in der ersten Instanz vor dem Bezirksgericht Neusiedl am See kein Thema gewesen, schreiben sie in ihrem Beschluss. "Wir lassen derzeit prüfen, ob eine außerordentliche Revision Aussicht auf Erfolg hat", sagt Chefredakteur Skrabal. (Irene Brickner, 13.12.2015)