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Irmgard Griss ist Anti-Politikerin, die dann doch wie eine Politikerin klingt

Foto: APA/Neubauer

Irmgard Griss war eine gute Juristin, eine kompetente Präsidentin des Obersten Gerichtshofs und ein Glücksfall als Leiterin der Hypo-Untersuchungskommission: Ihr Bericht war parteiunabhängig, objektiv und auch für Laien gut verständlich.

Dass der Hypo-Bericht im Grunde bloß die schlichte Botschaft hatte, dass irgendwie alle am Hypo-Desaster Schuld tragen, traf wahrscheinlich auch den Kern der Affäre. Griss' größte Leistung rund um den Bericht war, dass sie nicht wie eine typische Politikerin klang. Das kam gut an.

Anti-Politikerin

Doch nun will Griss Bundespräsidentin werden, und mit diesem Unterfangen tut sie sich doch viel schwerer. Sie will als Frau aus dem Volk, als Vertreterin der Zivilgesellschaft, als Anti-Politikerin das höchste politische Amt im Staate erringen. Damit das gelingt, braucht sie eine breite Bewegung von Menschen, die sich für sie engagieren, ihren Wahlkampf finanzieren und ihre Freizeit dafür opfern.

Aber wenn man ihre Interviews, zuletzt im Falter und im Ö1-Mittagsjournal, verfolgt, dann muss man sich fragen, wie sie diese Welle der Begeisterung entfachen will. Griss' Antworten klingen durchdacht und vernünftig, aber auch unpolitisch und recht banal. Spannende Denkanstöße für die Probleme der Republik hört man von ihr nicht.

Griss will bessere Bildung für alle, die Neutralität diskutieren, aber nicht abschaffen, bei Asylwerbern zwischen Schutzsuchenden und Wirtschaftsflüchtlingen unterscheiden, die EU erhalten, den Rechtsstaat stärken. Wer will das nicht?

Einmal gegen U-Ausschuss, dann dafür

Wenn sie einmal ihre Komfortzone verlässt und eine schärfere Aussage trifft – etwa, wenn sie im "Falter" dem Hypo-U-Ausschuss mehr oder weniger seine Existenzberechtigung abspricht –, dann rückt sie bei der nächsten Gelegenheit gleich wieder davon ab. Dann klingt sie streckenweise doch wie eine typische Politikerin – bloß weniger routiniert und professionell.

Das mag zwar sympatisch sein, rechtfertigt aber noch nicht eine völlig neue Wahlbewegung in diesem Land. Und ihre Äquidistanz zu allen Parteien macht misstrauisch: Aus Sicht einer Verfassungsjuristin ist die FPÖ gleichwertig mit SPÖ und ÖVP, aber von einer Bundespräsidentin würde man sich doch deutlichere weltanschauliche Botschaften erwarten.

Erst 100.000 Euro gesammelt

Gerade 100.000 Euro hat Griss bisher an Spenden aufgetrieben, ein Fünftel von dem, was sie für das absolute Minimum für ein Wahlkampfbudget hält; und in weniger als zwei Wochen will sie entscheiden, ob sie antritt.

Erwin Pröll und Rudolf Hundstorfer sind als Gegenkandidaten so gut wie fix und haben – anders als Griss – eine Stammwählerschaft hinter sich. Alexander van der Bellen ist ebenso unabhängig und intellektuell viel interessanter. Der Ex-Grünenchef mag zwar nicht sehr dynamisch klingen, aber Griss fehlt das Feuer noch mehr.

Politik muss gelernt sein

Das einzige, was für Griss spricht, ist, dass sie nie Politikerin war. Doch das ist ein populistisches, sogar gefährliches Wahlkampfargument; denn Politik muss gelernt sein, und Quereinsteiger werden nur dann erfolgreich, wenn sie sich rasch in Politiker verwandeln. Und Griss verkörpert – zum Glück – nicht die mit Ressentiments arbeitende Anti-Politik eines Frank Stronach oder Donald Trump.

Griss zitiert im "Falter" selbst Max Weber, der von "Politik als Beruf" geschrieben und damit Lebensunterhalt und Berufung gemeint hat. Die Berufung ist bei ihr nicht zu spüren, höchstens der Reiz einer spannenden Aufgabe in der sonst etwas langweiligen Pension. Doch dafür ist das Bundespräsidentenamt zu groß. (Eric Frey, 12.12.2015)