Madrid/Kabul – Widersprüchliche Angaben der spanischen Regierung nach einem Anschlag in der Nähe der Botschaft des Landes in Kabul lösen immer mehr Kritik aus. Negative Ereignisse kommen Madrid vor der Parlamentswahl am 20. Dezember natürlich ungelegen. Erinnerungen an 2004 werden wach.

Nach einem Taliban-Angriff in der Nähe der spanischen Botschaft in Kabul herrscht in Spanien weiter Verwirrung über das Anschlagsziel. Die konservative Regierung teilte am Samstag in Madrid mit, es werde "keine Hypothese ausgeschlossen". Innenminister Jorge Fernandez Diaz sprach in Leon im Norden des Landes von einem "Angriff auf Spanien".

Dementi

Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte am Freitag am Rande einer Wahlkampfveranstaltung beteuert, es habe sich um keinen Angriff auf die diplomatische Vertretung gehandelt. Damit hatte er zur allgemeinen Überraschung sein eigenes Außenministerium dementiert.

Bei dem Angriff der Taliban in Kabul waren nach Angaben vom Samstag zwei spanische und vier afghanische Polizisten getötet worden. Nach stundenlangen Gefechten hätten Sicherheitskräfte die vier Angreifer getötet, teilte die Regierung in Kabul mit.

Krisentreffen

Die Angreifer zündeten am Freitagabend zunächst vor der spanischen Botschaft eine Autobombe, bevor sie sich ein stundenlanges Feuergefecht mit der Polizei lieferten. Die Taliban bekannten sich zu der Attacke, die nach ihren Angaben einer Unterkunft für ausländische Gäste galt. Der Angriff ereignete sich im Viertel Sherpur, in dem viele Beamte und Politiker leben sowie mehrere ausländische Organisationen ihre Büros haben.

Die Regierung berief kurzfristig für Samstagabend ein Krisentreffen der Unterzeichner des sogenannten "Anti-Jihadisten-Paktes" ein. Dieses Abkommen zur gemeinsamen "Bekämpfung von radikalem Fanatismus" hatten die Chefs der meisten spanischen Parteien nach dem Anschlägen vom 13. November in Paris unterzeichnet.

"In jedem Fall handelt es sich um einen Terroranschlag, bei dem zwei spanische Bürger getötet wurden und unsere Interessen schweren Schaden davongetragen haben", hieß es in der Erklärung am Samstag.

Das Hin und Her innerhalb der Regierung war vor dem Hintergrund der Präsenz des Landes in Konfliktregionen schon am Freitagabend in spanischen Medien negativ kommentiert worden. Am Samstag warnte der Spitzenkandidat der jungen und aufstrebenden liberalen Partei Ciudadanos (Bürger), Albert Rivera, davor, "Informationen zu verbergen". Ciudadanos steht in allen Umfragen weit mit vorne.

In Spanien werden vor der Parlamentswahl am 20. Dezember Erinnerungen an 2004 wach. Nach den von Islamisten verübten Anschlägen vom 11. März 2004 auf Madrider Züge mit 191 Todesopfern hatte die damalige konservative Regierung von Ministerpräsident José Maria Aznar – mutmaßlich aus wahltaktischen Gründen – lange Zeit die baskische Terrorgruppe ETA für den Angriff verantwortlich gemacht. Nach Meinung vieler Beobachter verlor die Volkspartei von Aznar und Rajoy auch deshalb wenige Tage später die Abstimmung.

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist äußerst angespannt. Erst am Dienstag stürmten Taliban-Kämpfer den Flughafen der südlichen Provinzhauptstadt Kandahar und lieferten sich stundenlange Gefechte mit den Sicherheitskräften. Erst nach 27 Stunden gelang es den Sicherheitskräften, den letzten Angreifer zu töten. Offiziellen Angaben zufolge wurden 38 Zivilisten und zwölf Sicherheitskräfte bei dem Taliban-Anschlag in der Stadt getötet, in der die islamistische Bewegung einst entstand. (APA, 12.12.2015)