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Wann liegen die AGB dem User im Online-Handel tatsächlich vor? Ein abrufbarer Link allein war dem EuGH zu wenig, ein Browser-Fenster war ein andermal genug. Auch bei der Sprache gibt es Fragen.

Foto: APA / dpa / Arno Burgi

Wien – Verträge unter Einbezug von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) sind heute im Wirtschaftsleben alltäglich. Unternehmen verlassen sich darauf, dass ihre (hoffentlich) sorgfältig zusammengestellten Standardbedingungen sie bei Streitfällen schützen.

AGB sind aber keine Gesetze. Sie gelten nur, wenn ihre Anwendung speziell vereinbart wurde. Wird darüber gestritten, entscheiden oft kleinste Details über Sein oder Nichtsein. Wie diffizil und häufig unvorhersehbar die Rechtsprechung dazu geworden ist, zeigt eine Übersicht über aktuelle Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) und des österreichischen Obersten Gerichtshofes (OGH).

Judikate aus den 1970er-Jahren atmen noch den Geist der "alten" Zweiten Republik: Banken, Versicherungen und Energieversorgern wurde zugestanden, dass ihre AGB stets gelten, weil jeder brave Österreicher damit rechnen musste, dass sie gelten sollen. Diese Rechtsprechung ist überholt.

AGB müssen zugänglich sein

Heute ist anerkannte Richtschnur, dass die AGB den Vertragspartnern im Zeitpunkt des Vertragsschlusses tatsächlich vorliegen oder zumindest zugänglich sein müssen. Deshalb verneinte der OGH z. B. die Gültigkeit von AGB eines Gerätehändlers, wenn diese zwar im Internet abrufbar sind, aber dem Käufer bei dessen Bestellung per Fax (!) nicht faktisch vorlagen (21. 10. 2014, 4 Ob 161/14a).

Geradezu großzügig dagegen der OGH in einem anderen Fall, wonach es ausreicht, dass die umstrittenen AGB mittels Google-Suche im Internet abrufbar waren, auch wenn die näheren Umstände der Bestellung nicht feststehen (27. 2. 2013, 6 Ob 167/12w).

Der EuGH entschied dagegen 2011 aufgrund einer besonders strengen Wortinterpretation, dass es nicht ausreicht, wenn Informationen in AGB für Konsumenten "zugänglich" sind – sie müssen sie vielmehr "erhalten". Daher war es zu wenig, dass bei einer Online-Bestellung Informationen per Klick auf einen Link abrufbar waren (C-49/11 vom 5. 7. 2012).

Im jüngsten Fall (C-322/14 vom 21. 5. 2015) war der EuGH dagegen der Meinung, dass das heute übliche "click wrapping" beim Vertragsabschluss zumindest zwischen Unternehmern ausreichend ist: Wenn Liefer- und Zahlungsbedingungen in einem Online-Formular angeklickt werden können und sich in einem neuen Browser-Fenster öffnen, sei das ausreichend, weil so dem Besteller eine dauerhafte Aufzeichnung der für ihn relevanten Informationen "möglich" ist – auch wenn faktisch niemand tatsächlich AGB speichert oder ausdruckt.

In anderen Entscheidungen war bereits maßgeblich, wie groß der Hinweis auf AGB gedruckt war, ob die streitenden Unternehmen schon davor längere Geschäftsbeziehungen pflegten und ob bei grenzüberschreitenden Verträgen die AGB in einer "Weltsprache" abgefasst sind – wobei dann wieder nicht ganz geklärt ist, ob Deutsch eine solche Weltsprache ist.

Streit um Gerichtsstand

Bemerkenswert ist auch, dass die Gerichte tendenziell strengere Wirksamkeitserfordernisse für AGB aufstellen, wenn der Streit sich um eine dort enthaltene Gerichtsstandsklausel dreht. Noch fehlt – so weit ersichtlich – ein Fall, in dem zwar die AGB einer Partei grundsätzlich gelten, das darin gewählte Gericht aber trotzdem unzuständig ist; auszuschließen ist eine solche Konstellation aber nicht, wenn man bisherige Entscheidungen gegeneinander abgleicht.

Was kann man aus Sicht eines Anbieters daraus lernen? Hinweise wie "Es gelten unsere AGB, die Sie auf unserer Website abrufen oder von uns auf Anfrage zugeschickt bekommen können" sind nicht verlässlich. Will ein Unternehmen seinen AGB möglichst Geltung verschaffen, sollte es sie in jedem Angebot, jeder Auftragsbestätigung und jeder Bestellung aktiv mitsenden.

Vor überraschenden Entscheidungen ist man dennoch nicht gefeit. Die technologische Entwicklung und sich dadurch verändernde Geschäftspraktiken sorgen dafür, dass frische AGB-Fälle die nationalen und europäischen Gerichte weiterhin beschäftigen werden. Anwender sollten versuchen, mit diesen Erkenntnissen in ihrer Geschäftsabwicklung möglichst Schritt zu halten.

Ob die einmal wirksam vereinbarten AGB dann im Einzelfall auch inhaltlich fair sind und vor Gericht halten, ist übrigens eine ganz andere Geschichte. (Stephan Steinhofer, 14.12.2015)