Die theatralische Rhetorik von Papst Franziskus sichert ihm nach wie vor Sympathien über die Grenzen der katholischen Kirche hinaus. Der Vatikan selbst sieht anders aus: "Vatileaks" bringen finanzielle Malversationen an die Öffentlichkeit, Kardinäle widersprechen dem Papst ganz unverhohlen, vom Oberhaupt der Kirche angekündigte Reformen versickern hinter den Mauern des Kirchenstaats.

Franziskus wirft wie viele charismatische Politiker Andeutungen von Reformen unter das Glaubensvolk, das sich einbildet, die Änderungen wären schon unterwegs. Die Kirche wirkt dadurch offener als unter seinem Vorgänger Benedikt. Tatsächlich bleibt theologisch alles beim Alten, im Vatikan verschärfen sich die Konflikte.

Der Wiener Soziologe Wilfried Daim hat einmal den Machtapparat des Vatikans mit jenem des Kremls verglichen. Tatsächlich ähnelt Franziskus Michail Gorbatschow vor dreißig Jahren. Er verhieß eine "andere Sowjetunion", in Wirklichkeit implodierte sie.

Blockadegruppe

Die große Bischofsynode, von Optimisten als eine Art kleines Vatikanisches Konzil erhofft (das große war das Reformkonzil von Johannes XXIII. in den 60er-Jahren), erfüllte die Erwartungen nicht. Die Ergebnisse bescherten dem Papst eine Niederlage, vor allem den polnischen Bischöfen gelang es, eine Blockadegruppe zu bilden.

Was nicht so schwer war – angesichts der Tatsache, dass die Vorgängerpäpste fast nur konservative Kardinäle und Bischöfe ernannt haben. Der oft zitierte Vorteil der katholischen Kirche, in historischen Zeiträumen zu denken, erweist sich somit als klitzekleine Chance des argentinischen Papstes: Er muss über personelle Änderungen eine neue, seinen Anliegen gewogenere Hierarchie aufbauen. Das wird Stückwerk bleiben, außer sein eigener Nachfolger denkt wie er. Eine Ambition, die gleichzeitig Gegner schafft.

Kurienämter ohne Portefeuille

Zum Beispiel den kanadischen Kardinal Marc Quellet. Er ist offizieller Chef der Bischofsernennungen, von Benedikt eingesetzt. Den umgeht Franziskus jetzt, um seine Vorhaben durchzusetzen. Etwa indem er kürzlich den Straßenprediger und Mafiagegner Corrado Lorefice zum Erzbischof von Palermo gemacht hat. Umgekehrt erfindet er Kurienämter ohne Portefeuille, um Gegner kaltzustellen. Das tat er im Falle seines Hauptgegners im argentinischen Rosario. Er versetzte Bischof Luis Mallaghan nach Rom und ersetzte ihn durch Eduardo Martin. Einen seiner Gegner in der Kurie, Kardinal Canizares, berief er "auf eigenen Wunsch" auf den Erzbischof-Sitz von Valencia.

Ob es Zufall ist oder nicht: Neben den Polen machen dem Papst vor allem Kleriker aus Spanien Probleme. Der jüngste bei den Gerichten gelandete "Vatileaks"-Skandal wurde von einem Spanier ausgelöst, und das just vor Beginn der Bischofssynode platzierte Outing eines homosexuellen Priesters aus Barcelona stützte die Reformgegner.

Die jüngste Eruption: Im Apparat des von Benedikt eingesetzten Glaubensschützers Gerhard Ludwig Müller, Exbischof von Regensburg, wurde illegal Geld abgezweigt.

Die Kurie macht Schlagzeilen. Aber keine guten. (Gerfried Sperl, 13.12.2015)