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Flaggen-Fabriken könnten zwar auch unter einer Regierung des Front National reüssieren – für den Rest der Wirtschaft hätte das Programm der Partei aber negative Folgen, warnen französische Ökonomen.

Foto: APA / EPA / Denis Charlet

Marine Le Pen ist noch nicht im Élysée-Palast und wird es vielleicht auch nie sein: Meinungsumfragen ergeben, dass 65 Prozent der Franzosen die Vorsitzende des Front National (FN) derzeit nicht für fähig halten, die Geschicke eines so großen Landes wie Frankreich zu leiten. Dass es ihr immerhin 35 Prozent der Franzosen hingegen zutrauen, ist das eigentlich Erstaunliche. Denn das Wirtschaftsprogramm des Front National (FN) – das heißt sein politischer Kern – hätte, wenn jemals in die Tat umgesetzt, verheerende Folgen für das Land, wie französische Wirtschaftsforscher warnen.

Das FN-Programm basiert auf dem Ausstieg Frankreichs aus dem Euro, gefolgt von einer 20-prozentigen Abwertung des wieder eingeführten Franc. Flankiert würde die Maßnahme durch die Teilverstaatlichung der Banken und Kapitalkontrollen, um eine massive Kapitalflucht zu verhindern. Zugleich würde die Banque de France die Notenpresse anwerfen und die Regierung mit zinslosem Geld versorgen.

Radikale Sozialpolitik

Präsidentin Le Pen würde eine staatliche Industriepolitik dekretieren. Gefördert würden Produkte – und nur sie –, die den Stempel "made in France" tragen. Für die anderen gäbe es protektionistische Zölle und Importquoten. Aus der Welthandelsorganisation WTO würde Frankreich austreten, um sich dem "ultraliberalen Freihandel" nicht beugen zu müssen.

Radikal wäre auch die Sozialpolitik. Sämtliche Monatseinkommen unter 1500 Euro würden um 200 Euro aufgestockt. Das Pensionsalter würde von 62 auf 60 gesenkt – bei höheren Bezügen. Der Staat übernähme sämtliche Kosten eins Kindes; er würde die Polizei und Armee aufstocken. Finanziert würde das Programm auch durch den Abbau von Sozialleistungen für Immigranten.

"Flugblatt der Kommunisten"

Zu behaupten, dass dieses Programm auf starke Kritik stößt, wäre eine Untertreibung. Der dem zentrumsdemokratischen Lager nahestehende Ökonom Christian Sainte-Etienne spricht von einem "marxistischen Peronismus", Präsident François Hollande fühlte sich in einem unbedachten Moment unlängst an ein "Flugblatt der Kommunistischen Partei Frankreichs von 1970" erinnert – womit er sich zwar nicht den Zorn Le Pens, sehr wohl aber jenen der Kommunisten zuzog.

Die Fondation Concorde kam zum Fazit, dass das FN-Programm 120 Milliarden Euro kosten und 2,5 Milliarden einsparen würde. Wie Le Pen also ihr Versprechen halten will, die Staatsschuld einzudämmen, ist vor diesem Hintergrund schwer auszumalen.

Vor allem aber hätten der Euro-Ausstieg und die Importschranken eine massive Verteuerung der Preise zur Folge, unter denen in erster Linie die Ärmeren leiden würden. "Die Kaufkraft der Franzosen sänke wegen der Inflation, der Preiserhöhung für Importgüter, der Plünderung der Kleinsparer mit Lebensversicherungen und wegen der Erhöhung der Arbeitslosenzahl", schätzt die Stiftung, die nichts anderes als einen "Zusammenbruch der französischen Wirtschaft" vorhersagt.

Kuba, Nordkorea, Iran, Frankreich

Konkret würde Frankreich mittelfristig fünf Prozent seiner Wirtschaftsleistung verlieren. Frankreich unter dem FN, das wäre wirtschaftlich wie Kuba, Nordkorea und der Iran, meint die Concorde-Stiftung: "Diese paar ‚autarken‘ Modelle sind alle auf eine spektakuläre Verarmung der Bevölkerung hinausgelaufen." Ein Euro-Ausstieg Frankreichs träfe die EU – und damit auch gleich noch einmal Frankreich, das den Großteil seines Handels mit den europäischen Nachbarn abwickelt.

Bei ihrem "ökonomischen Patriotismus" lässt Le Pen mehrere unausweichliche Folgen völlig außer Acht. Sie scheint aber langsam einzusehen, dass ihr EU-Kurs einzig durch politische Motive geleitet ist und keine ökonomische Grundlage hat. So schränkte sie jüngst etwa ein, dass sie nach ihrer Wahl eine Volksabstimmung über den Euro-Ausstieg ansetzen und selbst bei einem positiven Ausgang nur eine "verhandelte" Rückkehr zum Franc organisieren würde. Von einer halbwegs glaubwürdigen Wirtschaftspolitik ist sie aber noch Lichtjahre entfernt. (Stefan Brändle aus Paris, 13.12.2015)