Die dunkelsten Tage sind vorbei auf der Krim: Als im November ukrainische Nationalisten und Anhänger der krimtatarischen Medschlis einen Anschlag auf die Hochspannungsleitungen vom ukrainischen Festland auf die Halbinsel verübten, gingen dort erst einmal die Lichter aus. Inzwischen sind nur noch 250.000 der knapp zwei Millionen Einwohner völlig ohne Strom.

Die Liebe der Krimbewohner zur Ukraine hat die Aktion sicher nicht gestärkt. Doch wer geglaubt hatte, dass die Anfang Dezember von Russlands Präsident Wladimir Putin persönlich eröffnete "Energiebrücke" vom russischen Festland zur Krim deren Energieprobleme auf die Schnelle löst, sah sich getäuscht. Laut Sergej Sadaklijew, dem Vizechef des Katastrophenschutzes der Krim, läuft über diese Brücke nur geringfügig mehr (219 Megawatt) ein, als über die nach der Zerstörung notdürftig wieder hergerichteten Leitungen aus der Ukraine (192 Megawatt). Der Großteil (mehr als 400 Megawatt) wird immerhin schon selbst produziert. Allein für den Bedarf reicht es nicht.

Bild nicht mehr verfügbar.

Ein gesprengter Strommast in der Region Kherson auf der Halbinsel Krim.
Foto: APA/EPA/HROMADSKE TV

Keine durchgehende Stromversorgung in Sewastopol

So bleibt das Leben beschwerlich, der Zugang zu den Errungenschaften der Zivilisation auf einige Stunden am Tag beschränkt. In der Hafenstadt Sewastopol beispielsweise, dort wo Putin vor eineinhalb Jahren noch symbolträchtig die Militärparade zum "Tag des Sieges" abgenommen hatte, besteht der Tagesablauf für die Menschen aus dem Wechsel von drei Stunden Strom und drei Stunden Kerzenschein – und dies nicht wegen der bevorstehenden Weihnacht.

Eine zweite Leitung von Russland soll ab Dienstag in Betrieb gehen und zur Linderung der Nöte beitragen. Bis Sommer 2016 ist geplant, die Energieabhängigkeit der Krim von der Ukraine endgültig zu beenden. Auch die Wasserversorgung, ein weiterer heikler Punkt, soll dann gewährleistet sein. Drei Jahre später, so das Versprechen, wird die Halbinsel über eine mehr als drei Milliarden Euro teure Brücke dann auch physisch an Russland angeschlossen.

Bild nicht mehr verfügbar.

Kerzen erhellen ein Lebensmittelgeschäft in Simferopol.
Foto: REUTERS/Pavel Rebrov

Warten auf Aufschwung

Mit Versprechen ist das so eine Sache: Die Mehrheit der Krimbewohner hatte im völkerrechtlich umstrittenen Referendum für die Angliederung gestimmt, weil ihnen nach Jahren der Vernachlässigung durch Kiew Moskau auch einen schnellen Aufschwung und bessere Lebensverhältnisse versprach. Doch der Prozess zieht sich in die Länge: Selbst vom nicht gerade üppigen Durchschnittsverdienst der Russen – durch den Rubelverfall auf umgerechnet 440 Euro geschrumpft – sind die Einwohner der Krim noch weit entfernt: Weniger als 280 Euro nehmen sie im Schnitt mit nach Hause, in der Hafenstadt Sewastopol als eigenständigem Föderationsobjekt ist es nur geringfügig besser (knapp 300 Euro).

Gewinner sind Rentner und Beamte, deren Bezüge deutlich angehoben wurden. Für Unternehmer hingegen sind die Vorteile weniger offensichtlich. Bürokratie und Korruption haben sich nicht verringert: "Vom Papierkram her sind wir so etwa 20 Jahre zurückgefallen. Die Anzahl der nötigen Dokumente, um Geschäfte zu machen, übersteigt alle Grenzen", kritisiert Unternehmer Roman. Andere beklagen, dass viele Beamte noch aus ukrainischer Zeit gewohnt seien, Bestechungsgelder zu kassieren. An der Gewohnheit habe sich wenig geändert.

Bild nicht mehr verfügbar.

Dunkelheit auch in der Hafenstadt Jewpatorija Anfang Dezember.
Foto: REUTERS/Pavel Rebrov

Viele kleine Händler haben durch die Schließung der Grenzen zur Ukraine ihr Geschäft verloren. Die vor allem privat organisierte Tourismusbranche hat die Umstellung von ukrainischen auf russische Besucher ebenfalls noch nicht völlig bewältigt: Waren es 2012 rund 6,1 Millionen Touristen, so werden für 2015 etwa 4,5 Millionen erwartet.

Optimismus durch russische Isolation

Trotzdem: Der Unmut hält sich angesichts der noch stärker kriselnden Ukraine in Grenzen. Es hätte viel schlimmer kommen können, so die allgemeine Stimmung von Sewastopol bis nach Kertsch mit Blick auf die Vorgänge im Donbass.

Zudem kann die Krim darauf hoffen, von der auch vom Kreml betriebenen Isolation Russlands zu profitieren: Europa ist für russische Touristen nach dem Rubeleinbruch zu teuer, Ägypten nach dem Terroranschlag zu gefährlich, türkische Strände sind nach dem Abschuss eines russischen Bombenflugzeugs tabu. So bleibt für die Russen nur noch die Krim als Erholungsort.

Die Landwirtschaft könnte ebenfalls vom Wegfall der Konkurrenz profitieren. "Jede gekaufte türkische Tomate ist ein Beitrag zu einer weiteren Rakete, die auf unsere Jungs abgeschossen wird", begründete Regierungsberater Gennadi Onischtschenko das Embargo gegen Ankara. Die Krim bereitet sich bereits auf einen Boom beim Absatz von Tomaten, Zitrusfrüchten und Weinen im kommenden Jahr vor. (André Ballin aus Moskau, 15.12.2015)