Wien – Am Dienstag ging der Hypo-U-Ausschuss weiter; als Erster wurde Wirtschaftsprüfer Thomas Becker (Deloitte) befragt. Die Rolle der Wirtschaftsprüfer hat jüngst Notenbankchef Ewald Nowotny kritisiert. Vor ihm hatte Exvizegouverneur Wolfgang Duchatczek ausgesagt – dabei wurde auch ein Hypo-Lobbyingprojekt der Agentur Pleon Publico von 2006 thematisiert.
Damals, nach Aufkommen der Swap-Verluste, führte die Finanzmarktaufsicht FMA ein Absetzungsverfahren gegen Kulterer, die Hypo kaufte "PR- und Lobbying-Leistungen" bei Pleon Publico ein. Eine der "Zielpersonen" laut "Lobbying-Planquadrat" war auch Duchatczek: "Informationsgespräch am 1. Juni erfolgt", heißt es in der Unterlage. Durchatczek selbst war dazu aber "nichts bekannt", wie er aussagte.
Eitelkeiten der FMA-Chefs
Allerdings könnte es auch schwierig sein, nach fast zehn Jahren die Rollen der handelnden Personen auseinanderzuhalten: Pleon Publico (wurde inzwischen verkauft) war damals auch als Berater für die Notenbank (OeNB) tätig. Dies bestätigt der damalige Publico-Geschäftsführer Markus Schindler. 2006 bis 2011 war auch Harald Mahrer Partner und Geschäftsführer der Agentur, er ist heute Staatssekretär im Wirtschaftsministerium (ÖVP).
Aus dem Publico-Exposé von 26. Mai 2006 erschließt sich, wie man für die Hypo "Positivkommunikation" betreiben und die FMA als "systemisches Problem" darstellen wollte. Die Lobbyisten stellten ein "Dossier über die fragwürdige Vorgehensweise und die Verfehlungen der FMA" zusammen.
Zudem bezweifelten sie die Unabhängigkeit der in der Ära Karl-Heinz Grasser gegründeten Behörde und insinuierten unter dem Punkt "FMA: Fluch oder Segen?" eher Letzteres. Die "durchlässige Kontrolle und mehrfaches Zuspätkommen (etwa bei der Bawag) der FMA" habe "massive Kritik gebracht (...) und dem Bankplatz Österreich enorm geschadet". Kurzum: Man könne sich derart "skandalöse Vorgänge in und rund um die (...) FMA (...) nicht mehr länger leisten". Zumal "die FMA von den persönlichen Eitelkeiten ihrer Hauptdarsteller abhängig" sei.
Blütenweiße Hypo
Als "blütenweiß" sollte dagegen die Hypo dargestellt werden. Sie sei von einer "kleinen regionalen Landeshypo zu einer der stärksten Banken Österreichs" geworden und stelle die "Erfolgsstory von GD Kulterer" dar, hieß es im "streng vertraulichen" Exposé.
Der Verlust 2004 (Wirtschaftsprüfer Deloitte hatte das Bilanztestat zurückgezogen) sei ein "rein optischer", die Zukunftsperspektive "positiv". Die Conclusio: Es gebe "viele schwarze Schafe und ein Opferlamm: die Hypo".
Dieses Argumentarium wurde in ein "strategisches Triangel" gegossen, bei dem auch "politisches Lobbying" eine Rolle spielte, wie es in einem der Papiere hieß. Die FMA würde doch "nicht nur der Hypo und dem Finanzplatz Österreich, sondern auch der ÖVP im Wahlkampf schaden!"
Generalstabsmäßig geplant
Zeitlich setzten sich die Lobbyisten unter Hochdruck: Das "generalstabsmäßig" angelegte "Lobbying-Planquadrat" sollte im Vorfeld der Sitzung des ständigen Rechnungshofausschusses am 8. Juni im Parlament "zum Einsatz kommen". Für diesen Tag waren auch die FMA-Chefs dort geladen.
Wer neben Duchatczek bearbeitet werden sollte: die ÖVP-Abgeordneten Karl-Heinz Dernoscheg, Günter Stummvoll, Michael Ikrath, SPÖ-Mandatar Christoph Matznetter, Werner Kogler (Grüne), aber auch Referenten der Klubs zwecks "Entrierung der Gespräche". Die Parlamentarier selbst sollten persönlich "über die rechtswidrige und ungeheuerliche Vorgangsweise der FMA (...)" informiert werden.
Medien eingebunden
Weitere Ansprechpersonen: ÖVP-Klubobmann Wilhelm Molterer (Thema: "politische Implikationen für VP im Wahlkampf"), der steirische Landeshauptmann Franz Voves, der vor Folgen der FMA-Vorgangsweise für die steirische Hypo gewarnt werden sollte. Zuständiger Lobbyist war laut "Planquadrat" ausgerechnet: Othmar Ederer, Vizechef des Hypo-Aufsichtsrats und Chef der Grawe. Parallel dazu wurden die Medien aufmunitioniert, was sich in "Exklusivinterviews" mit Kulterer und zahlreichen "Positiv-Storys" für die Hypo niederschlug.
Wer in Sachen Hypo-Politur unterwegs war, lässt sich heute schwer eruieren. Laut Schindler sind die Unterlagen, auch wegen des zwischenzeitlich erfolgten Verkaufs der Agentur, nicht mehr verfügbar, er selbst könne sich nicht an die Details erinnern. Aber er schließe aus, dass Mahrer dabei war, der habe nicht für Banken gearbeitet. Mahrer selbst sagt gar nichts.
Chefsache
Laut Vertrag war die Hypo Chef-Sache. Verrechnet werde "ein hochkarätiges Team auf Geschäftsführer- beziehungsweise Partner-Level (drei Personen) und weitere drei Agenturmitarbeiter".
Kostenpunkt der Publico-Aktivitäten, die von 27. Mai bis 9. Juni gedauert haben sollen: 72.000 Euro. 25 Prozent für "gute Kooperation (...) und in Hinblick auf eine Fortsetzung derselben" inklusive. (Renate Graber, 15.12.2015)