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Eine Gen-Modifikation soll helfen, die Ausbreitung der Stechmücke Anopheles gambiae zu verringern. Allerdings gibt es etwa 800 weitere potenzielle Malaria-Überträger.

Foto: APA/EPA/STEPHEN MORRISON

Wien/London – Wissenschafter des Imperial College London haben Malaria-Mücken genetisch so modifiziert, dass eine lokale Population rasch unfruchtbar und damit stark dezimiert wird. Möglich wurde dies mit Hilfe der DNA-Schere CRISPR/Cas9, berichten die Forscher, darunter der österreichische Genetiker Nikolai Windbichler.

Der seit 2006 am Imperial College tätige Windbichler sucht seit 2013 im Rahmen eines "Starting Grant" des Europäischen Forschungsrats (ERC) nach neuen Möglichkeit, die Ausbreitung von Krankheitsüberträgern wie Malaria-Mücken zu verhindern. In der aktuellen Arbeit hat Windbichler gemeinsam mit Tony Nolan und Andrea Crisanti Mücken der Art Anopheles gambiae, einer der wichtigsten Malaria-Überträger in Afrika, genetisch verändert. Sie besitzen dadurch ein Gen, das die Eiproduktion bei Weibchen stört und sie damit unfruchtbar macht.

"Wir haben dabei eine 'gene drive' genannte Technologie verwendet, die sicherstellt, dass das Gen unverhältnismäßig oft an die Nachkommen weitergegeben wird und sich damit rasch in der Population ausbreitet", erklärt Windbichler. Innerhalb weniger Jahre könnten damit lokale Mückenpopulationen eliminiert und die Ausbreitung der Malaria in dieser Region reduziert werden.

Unfruchtbarkeit für fast alle

Nach den Mendelschen Vererbungsgesetzen hat grundsätzlich jede Genvariante eine 50-prozentige Chance von einem der beiden Elternteile an die Nachkommen weitergegeben zu werden. Mit ihrer nun vorgestellten Methode konnten die Forscher erreichen, dass das Unfruchtbarkeits-Gen mehr als 90 Prozent der Nachkommen erhalten.

In ihrer Arbeit konzentrierten sich die Wissenschafter auf drei Fruchtbarkeitsgene. Mit Hilfe der DNA-Schere CRISPR/Cas9 veränderten sie jeweils eines dieser drei Gene. "CRSIPR/Cas9 kopiert sich dabei in das Fruchtbarkeitsgen hinein und schaltet es damit aus", so der Forscher.

In jedem Individuum, in dem das modifizierte Gen mit einem "gesunden" Gen des anderen Geschlechts in Kontakt kommt, produziert es erneut die DNA-Schere und greift das "gesunde" Gen an. Wenn sich dieses daraufhin repariert, nutzt es das modifizierte Gen samt CRISPR/Cas9 als Vorlage, modifiziert sich damit selbst – und schaltet sich aus.

Weiter vererben

"Dieser Angriff und die Reparatur passiert aber nicht in allen Zellen der Mücke, sondern nur während der Produktion von Eizellen und Spermien", erläutert Windbichler. Die Mücken produzieren damit fast 100 Prozent Spermien bzw. Eizellen mit dem CRISPR/Cas9-Gen und dem inaktiven Fruchtbarkeitsgen.

Die Wissenschafter verwendeten dazu rezessive Fruchtbarkeitsgene, sodass dies zunächst keine Auswirkungen hat. So kann dieses ausgeschaltete Fruchtbarkeitsgen samt CRISPR/Cas9 von den Eltern an alle Nachkommen weitergegeben werden und sich in der Population ausbreiten. Erst wenn bei der Vererbung zwei solche Gene zusammenkommen, wird ein Weibchen unfruchtbar. Es kann sich zwar noch entwickeln und paaren, aber keine Nachkommen mehr produzieren. Bei den Männchen haben die veränderten Gene keine Auswirkungen.

Das Problem: 800 verschiedene Mückenarten

"Das fundamental Neue und Wirkungsvolle an dieser Technologie ist, dass prinzipiell ein einziges ausgesetztes transgenes Individuum ausreichen könnte, um eine lokale Population von Malaria-Mücken zu eliminieren", sagt Windbichler, der an der Uni Wien Genetik studiert und bei Renee Schroeder dissertiert hat. In der Praxis würde eine solche Herangehensweise aber nicht zielführend sein, und man müsste viele modifizierte Tiere freisetzen.

Angesichts von rund 800 verschiedenen Mückenarten alleine in Afrika hätte die lokale Ausschaltung von Anopheles gambiae keine signifikanten Auswirkungen auf das Ökosystem, zeigte sich Tony Nolan in einer Aussendung überzeugt. Die Wissenschafter wollen nun einerseits die verschiedenen Schritte ihrer Methode noch effizienter machen. Sie suchen aber auch nach mehr Zielgenen, um die Wahrscheinlichkeit für Resistenzen zu reduzieren. (APA, 15.12.2015)