Wer an Gustoschwund leidet, sobald von "wahnsinnsleckeren" Desserts und "frisch gequetschtem" Orangensaft gefaselt wird, der wird sich eh nicht in die erste Tim-Mälzer-Filiale des Landes verirren: Schließlich steht schon an der Eingangstür, dass hier alles "für 'n Appel und 'n Ei" zu haben sei.
Man versäumt dann aber eine der besseren Restaurantwerdungen, die der gewaltige Saal in den letzten 25 Jahren erlebt hat. Erstmals wurde etwa das Akustikproblem gemeistert: Man kann jetzt auch bei Vollauslastung ahnen, was der Tischnachbar sagt.
Das Lokal wirkt – mit einer wesentlichen Einschränkung – sehr manierlich, sogar kuschelig unter dem viele Meter hohen Prachtplafond. Tische mit Linoleumplatten, antike Haerdtl- und nachgebaute Ernst-Schwadron-Sessel schaffen ebenso wie Josef-Frank-Stoffe und Fifties-Leuchten ein durchaus nicht ungemütliches, retroschick wienerisches Ambiente. Was halt echt nicht geht, ist die Küchenzeile im rustikalen Landhausstil beim Eingang, die als Raumteiler dient. Hallo Mak, wer war hier bei Kika?
Von gut bis trostlos
Das Essen klingt auf der Speisekarte meist ärger, als es sich auf dem Teller präsentiert. Zart angeräucherte -"die braten wir noch fix knusprig an" – Ente etwa ist eine geradlinige Vorspeise. Auch vegane Ravioli mit Erdäpfelfülle und Kohlsprossenblättern können als gültige Kombination gelten. Gebeizter Saibling hat angenehm wächserne Konsistenz, auf den Teller gespritztes Schäumchen erweist sich als kräftig nach Sauerkraut schmeckende Essenz – warum neben süßen Maroni und Karfiol auch ein paar zähfaserige Karfiol-Blattrippen mit auf den Teller dürfen, erschließt sich nicht. Total misslungen ist das "Charaktergemüse" mit angeblich gereiftem Käse, der sich als fetter Topfen erweist: So mehlig und lasch, so süßlich fad zu breiiger Konsistenz gegart können Pastinake, Karotte, rote Rübe und Konsorten um zwölf Euro schmecken.
Waller mit Linsen und Muscheln hat fast alles, was man sich wünscht, die Linsen sind tadellos abgeschmeckt und duften nach Lorbeer, nur der Edelfisch ist auf eine Art übergart, dass er im Mund immer mehr wird. Knuspriger Schweinebauch (siehe Bild) bleibt auf der sehr fetten Seite – ein bissl mehr ausseschwitzen hätte nicht geschadet. Die Kombination mit knackigen Essigzwiebeln und Kürbispüree lässt das dicke Teil aber auf recht verdauliche Art verschwinden – gut! Sehr deutsch wird es bei Kartoffelkroketten mit Bergkäse und Pilzen: So trostlos, wie die zwei Fritter-Bemmerln da in stockendem Käseschmelz dümpeln, fühlt man sich augenblicklich in eine Hardcore-Raststätte zwischen Pforzheim und Darmstadt versetzt, sorry für den Kalauer.
Essen aus dem Beutel
Als Hauptattraktion preist die Karte Sous-vide-Gerichte an: Essen, das über Stunden in Vakuumbeuteln bei Niedertemperatur darauf harrt, bei Bedarf blitzschnell in der Pfanne nachzuknuspern – ideal für Großrestaurants, die sich einem Stück Fleisch nicht mit der nötigen Muße widmen können. Im Salonplafond funktioniert das noch nicht gleichmäßig gut: Kalbsherz gerät trocken, Blutorangen-Hollandaise dazu ist nicht nur süß, sondern auf gaumenklebrige Art fettfilmig, wäh. Portobello-Pilze hingegen freuen sich über das Beutel-Bad: Der zarte Geschmack wird konzentriert, die Konsistenz bekommt etwas attraktiv Fleischiges – harmoniert wunderbar mit den Kräutern der Salsa verde.
Im Sommer darf der Mak-Garten samt neuer Terrasse erstmals in seiner ganzen Pracht bespielt werden. Am Plafond ist die Bude also noch lange nicht. Und Luft nach oben wollen wir ja alle haben. (Severin Corti, RONDO, 18.12.2015)