Das Inseratenbudget der Stadt Wien soll wie angekündigt reduziert werden. Der grüne Klubchef David Ellensohn nennt im STANDARD-Interview konkrete Zahlen: Statt 30 Millionen Euro pro Jahr sollen es künftig 20 Millionen sein. "Das Ziel ist, in dieser Legislaturperiode 50 Millionen Euro einzusparen." In dieser Rechnung nicht enthalten sind laut Ellensohn die Einsparungen bei den Auslandsbüros der Stadt Wien, die bisher vom SPÖ-nahen Compress-Verlag betrieben wurden. Die Stadt überwies Compress seit 2005 rund 14,5 Millionen Euro pro Jahr, die städtische Wien-Holding betreibt die Büros ab 2016 um 9,5 Millionen Euro – laut Ellensohn ohne Leistungseinbußen. Zudem werden die Neuerungen im Wiener Wahlrecht, eine langjährige Forderung der Grünen, in dieser Woche abgesegnet.
STANDARD: Am Donnerstag wird im Landtag das neue Wiener Wahlrecht beschlossen. Der mehrheitsfördernde Faktor, der bei der vergangenen Wahl SPÖ und FPÖ begünstigt hat, wird halbiert. Wie beurteilen Sie den Kompromiss?
Ellensohn: Wir haben jahrelang darum gekämpft, dass es verbessert wird. Jetzt ist es so weit. Es hätte auch schneller gehen können, dann hätten wir uns Johann Gudenus als Vizebürgermeister erspart. Es gibt eine Annäherung an das, was wir immer wollten: dass jede Stimme gleich viel wert ist.
STANDARD: Die Grünen forderten immer eine gänzliche Streichung des mehrheitsfördernden Faktors. Bleibt das weiter Ihr Ziel – oder hat sich dieses Thema erledigt?
Ellensohn: Wir haben nicht den Idealzustand erreicht, aber einen großen Schritt gesetzt. Die größte Ungerechtigkeit aber ist, dass sehr viele Menschen in Österreich null Wahlrecht haben, weil es ÖVP und die Freiheitlichen so wollen. Es gibt in Wien 350.000 EU-Bürger und Drittstaatsangehörige, die auf Landtagsebene nicht wahlberechtigt sind. Das kann Wien nicht reparieren, wir brauchen eine Änderung der Bundesverfassung.
STANDARD: Im Frühjahr hat Ihr Koalitionspartner SPÖ die Wahlrechtsreform verhindert, indem er den Grünen Şenol Akkılıç vor der Abstimmung im Landtag von einem Wechsel zur SPÖ überzeugte. Wie sehr hat das die rot-grüne Beziehung beschädigt?
Ellensohn: Uns war es wichtig, dass wir in den Koalitionsverhandlungen ein Ergebnis finden und am Donnerstag, im ersten Landtag der neuen Legislaturperiode, umsetzen.
STANDARD: Haben die rot-grünen Irritationen noch Auswirkungen?
Ellensohn: Wir haben jetzt Rot-Grün II. Gestern ist gestern. Wir schauen nach vorne, 2016 bis 2020. Wie es der SPÖ geht, muss man die SPÖ fragen. Mir geht es gut, den Grünen geht es gut, und wir haben ein gutes neues Wahlrecht.
STANDARD: Einige Grüne verlangten im Frühjahr die Aufkündigung der Koalition – etwa der heutige grüne Landessprecher Joachim Kovacs. Wieso sprachen sich die Grünen dagegen aus?
Ellensohn: Damals sind wir zum Schluss gekommen, dass es am besten für Wien ist, wenn die Grünen in der Regierung sind und der SPÖ helfen, sie unterstützen und eigene Ideen einbringen. Es ist für die Stadt hundert Mal g'scheiter, wenn die Grünen regieren, statt einen rot-schwarzen Stillstand zu haben. Wir sehen ja dieses Spektakel im Bund, das die da jede Woche bei ihren gemeinsamen Pressekonferenzen abliefern.
STANDARD: Wie steht es um die Reduzierung des Inseratenbudgets der Stadt um ein Drittel?
Ellensohn: Die kommt, wie es Bürgermeister Michael Häupl und Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou angekündigt haben.
STANDARD: Von welcher Summe soll welche Summe eingespart werden?
Ellensohn: Ein Drittel des Volumens, das der Presse- und Informationsdienst PID an Inseraten geschaltet hat, wird eingespart. Wir reden von 30 Millionen Euro, davon wird um ungefähr zehn Millionen Euro reduziert.
STANDARD: Wie soll das kontrolliert werden können? Laut SPÖ-Klubchef Christian Oxonitsch tragen die einzelnen Ressorts etwa 50 Prozent zu den Werbeausgaben bei.
Ellensohn: Wir werden im kommenden Jahr in der Transparenzdatenbank genau sehen, wie viel Geld ausgegeben wurde. Dort steht jetzt: rund 30 Millionen Euro. Auf die nächsten fünf Jahre wollen wir diese Summe um ein Drittel kürzen. An den Details, wie genau wir das machen, arbeiten wir noch. Das Ziel ist, in dieser Legislaturperiode 50 Millionen Euro einzusparen.
STANDARD: Der SPÖ-nahe Compress-Verlag hat für die Stadt Auslandsbüros betrieben – und damit sehr gut verdient. Die Grünen haben vor der Wahl Aufklärung über rund 40 Millionen Euro Gewinne seit 2005 gefordert – und versteckte Parteienfinanzierung vermutet. Wissen Sie, wo diese Gelder "versickert" sind, wie Grün-Mandatar Martin Margulies sagte?
Ellensohn: Was eine private Firma macht, kann weder der Rechnungshof noch das Kontrollamt kontrollieren. Aber wir haben eines erreicht: Das, was die Stadt bisher 14,5 Millionen Euro pro Jahr gekostet hat, machen wir jetzt selbst – und es kostet nur noch 9,5 Millionen Euro. Wir haben es geschafft, ohne Leistungseinbußen fünf Millionen Euro jährlich einzusparen. Was der Compress-Verlag vorher mit seinen Gewinnen gemacht hat? Nein, das weiß ich nicht.
STANDARD: Sie haben aber Aufklärung gefordert.
Ellensohn: Ich würde es immer noch gerne wissen. Aber eine private Firma ist mir keine Rechenschaft schuldig.
STANDARD: Wieso haben Sie es dennoch öffentlich gefordert – und vor der Wahl eine grüne Zusage zum Fortbestand der Auslandsbüros davon abhängig gemacht?
Ellensohn: Weil es mich trotzdem interessieren würde. Ich würde gerne wissen, wo die Gewinne des Compress-Verlags hingegangen sind. Wenn es jemand weiß: bitte mir ein Mail schreiben oder mich anrufen.
STANDARD: Wie erklären Sie dieses Einsparungspotenzial ohne Leistungskürzung dem Steuerzahler?
Ellensohn: Wir waren schon 2005 gegen den Compress-Vertrag. Da muss man die fragen, die damals dafür gestimmt haben. Das war die SPÖ allein. Ich kann nicht für die Fehler von anderen die Verantwortung übernehmen. (David Krutzler, 16.12.2015)