Boettke über Trump: "Er hat sich schon mindestens zehnmal politisch ins Knie geschossen. Das hat ihm bisher nicht geschadet. Es ist schwer vorstellbar, dass er nominiert werden könnte. Aber er hat derzeit auch keine Gegner, die sich als zwingende Alternative aufdrängen."

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STANDARD: Die Klimaeinigung von Paris wurde bisher kaum diskutiert im US-Wahlkampf. Warum?

Boettke: Es gibt Rhetorik und Realität. Auf der rhetorischen Seite befinden sich die Republikaner in einer beinahe unglaublichen Leugnung jeglichen Klimawandels; die Demokraten dagegen wollen als die Champions bei diesem Thema erscheinen. Es ist eine Mit-mir-oder-gegen-mich-Frage, bei der keinerlei Kompromisse zu erwarten sind. Wenn es aber um die Realität geht: Werden die USA fossile Energieträger einschränken? – Das kann ich mir aus jetziger Sicht nicht vorstellen.

STANDARD: Was wird aus Ihrer Sicht das dominierende wirtschaftliche Wahlkampfthema sein?

Boettke: Derzeit wird die Debatte in den USA sehr vom Populismus bestimmt. Das hat eine lange Tradition. Versprochen werden ein Huhn in jedem Topf, ein Job für jeden Amerikaner und kostenlose Bildung für alle Kinder. Die Wege, die das möglich machen sollen, sind höchst dubios. Die Rechten versprechen Steuersenkungen, die Demokraten wollen die Superreichen blechen lassen. Aber wird aus diesen Versprechen tatsächlich Politik? Als Ökonom würde ich sagen, die Mittel sind inkompatibel mit den Zielen, die gesetzt werden. Es sind leere Versprechungen. Was in den USA passiert, ist, dass am Ende des Tages die stärksten Interessengruppen ihre Ziele durchsetzen.

STANDARD: Man geht davon aus, dass 2016 ökonomisch ein gutes Jahr sein wird. Wird die Wirtschaft überhaupt entscheidend sein?

Boettke: Das hängt von der Fed ab. Wenn sie die Zinsen erhöht, werden Investitionen zurückgehalten, und es könnte eine Abwärtsbewegung in Gang kommen. Bleiben die Zinsen auf niedrigem Niveau und die Wirtschaft in gutem Zustand, wird das Kandidaten bevorteilen. Aus meiner persönlichen Sicht haben die Republikaner bisher keine kohärente Alternative zum Status quo vorgelegt. Hillary Clinton dagegen bietet eine Fortführung des Existierenden an. Aus meiner Sicht wird die Fed die Zinsen weiter niedrig halten und die Wirtschaft sich weiter erholen – durch Profite aus dem Außenhandel, Innovationsgewinne und entgegen störenden politischen Interventionen. Ein Wirtschaftssystem ist wie ein Rennen mit drei Pferden. Das erste heißt Smith und steht für die Gewinne aus dem Handel. Das zweite heißt Schumpeter und steht für Innovationsgewinne. Und das dritte heißt Dummheit. Solange Smith und Schumpeter vorn liegen, kann die öffentliche Hand viele Dummheiten machen, es wird morgen immer besser sein als heute. Nur wenn die Dummheit vorn liegt, bricht die Wirtschaftskrise aus. Das würde wohl passieren, wenn Donald Trump Präsident wird. Er ist ein Protektionist, der massive Zölle angekündigt hat.

STANDARD: Kann Trump die Nominierung bekommen?

Boettke: Er hat sich schon mindestens zehnmal politisch ins Knie geschossen. Das hat ihm bisher nicht geschadet. Es ist schwer vorstellbar, dass er nominiert werden könnte. Aber er hat derzeit auch keine Gegner, die sich als zwingende Alternative aufdrängen. Er ist so etwas wie ein amerikanischer Berlusconi. Ich hätte nicht gedacht, dass er es so weit schafft. Es dauert noch lange bis zur Wahl. Aber wäre er der republikanische Kandidat, würde Hillary Clinton einen Erdrutschsieg landen. Das wäre meine Prognose. (Christoph Prantner, 15.12.2015)