Nicht alle germanischen Erbwörter sind wie die Dinosaurier ausgestorben. Viele haben überlebt, jedoch ihre ursprüngliche Bedeutung eingebüßt, oder sie ist zum Teil verblasst und nur in manchen Zusammensetzungen noch zu erahnen.

Kämpferische Vornamen

Jedenfalls geben uns diese Wörter einen Einblick in Lebensbereiche, die vor vielen Jahrhunderten von Bedeutung gewesen sind, wie zum Beispiel ständig stattfindende kämpferische Auseinandersetzungen, von denen heute noch eine Reihe von Vornamen zeugt, in denen sich althochdeutsche Entsprechungen für "Kampf" finden, zum Beispiel hiltia in Hilde-gard, Mat-hilde und Hilde-gund beziehungsweise Gundhild. Das althochdeutsche gund- war kein selbstständiges Nomen mehr, es kommt hauptsächlich in Zusammensetzungen vor, wie Gunt-her, Gundolf, Gundbert, Gundula et cetera. Wīg finden wir noch in Ger-wig, Lud-wig, Wigbert beziehungsweise Wippert und Hed-wig, das wie Hildegund eine Tautologie ist und "Kampf-Kampf" bedeutet (Hed- aus hadu "Kampf" wie auch in Hade-mar).

Kampf und Champagner

Die Germanen liebten den Kampf. Das Wort – althochdeutsche champf und altenglisch camp "Kampfstätte, Schlacht"; mittelhochdeutsch kampf "Einzelkampf, Zweikampf, Turnier, gerichtlicher Kampf, innerer Kampf, Leiden" – wurde vor der zweiten Lautverschiebung, für die als Referenzdatum Attilas/Etzels Tod im Jahre 453 nach Christus gilt, aus lat. campus übernommen "freie Ebene, Feld, Schlachtfeld" (p > pf entsprechend der zweiten Lautverschiebung).

Das lateinische Wort campus lebt weiter in camping und kampieren, im Universitätscampus und im renommierten Schuh-Label Camper, das Mitte der 70er-Jahre auf Mallorca gegründet wurde. Mit den robusten Camper-Schuhen können wir gut querfeldein laufen. Kommen wir an einem freistehenden Turm vorbei, nennen wir ihn Kampanile (dt.-ital.), und eventuell ist er eine Werbekampagne wert.

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Camper beim Glastonbury Festival in Großbritannien.
Foto: REUTERS/Dylan Martinez

Überlebt hat lat. campus auch in der berühmten Pariser Prachtstraße, der Avenue des Champs-Élysées, wo sicher keine Schwammerl wachsen. Denn der Pilz, der dem Wortsinn nach auf dem freiem Feld gedeiht, heißt Champignon, und der niederdeutsche Kämpe (aus spätlat. campio "Kämpfer") kehrt heldenhaft als Champion aus Frankreich zurück und stößt mit Champagner auf seinen Sieg an. (Sonja Winkler, 21.12.2015)