Belgrad, der Nabel der Fußballwelt. Heute unvorstellbar, 1991 Realität. Siniša Mihajlović, Dejan Savićević, Robert Prosinečki, Vladimir Jugović – das waren Namen! Dieses Konglomerat an Filigrantechnikern bildete bei Roter Stern den Kern der besten Fußballmannschaft Europas, im Endspiel von Bari wurde Olympique Marseille besiegt. Ein letztes Aufflackern internationaler Chancengleichheit, danach kamen Champions League und 1995 mit der Bosman-Entscheidung auch das Ende der Restriktionen für Legionäre.

Die Auswirkungen des Bosman-Urteils, also der Arbeitnehmerfreizügigkeit, am Beispiel der englischen Premier League: Zu Beginn der Saison 1992/93 zählte man lediglich elf Ausländer (!) in allen Mannschaften, mittlerweile hat sich diese Zahl auf 359 erhöht, und es sind nicht die schlechtesten. Der Anteil der Legionäre steigerte sich kontinuierlich und liegt derzeit bei 67 Prozent, europäische Spitze.

Die österreichische Bundesliga gibt sich mit 25 Prozent moderat, der 2005 eingeführte Österreicher-Topf hat seine Wirkung nicht verfehlt. Die große Zeit der "Kellner vom Plattensee", wie der einstige Austria-Trainer Christoph Daum mittelmäßig begabte Legionäre nannte, ist vorbei.

Wenn die englische Nationalmannschaft bei der Euro 2016 geradezu traditionell früh scheitern sollte ("What's the difference between the England team and a tea bag? The tea bag stays in the cup longer"), werden sie wieder lauter zu hören sein, die Rufe nach mehr englischen Spielern in der Premier League. Dieses Schauspiel wiederholt sich nach jeder Endrunde.

Ändern wird sich freilich gar nichts, denn das Werkl läuft wie geschmiert. Von 2016 bis 2019 kassiert die Premier League von Sky und BT Sport sieben Milliarden Euro für TV-Rechte. Wen juckt da ein Transferdefizit von beinahe 600 Millionen Euro in der aktuellen Saison? Peanuts. Die große Show verlangt attraktive Frischware, und die lässt sich außerhalb der Insel leichter finden.

Ein ähnliches Bild liefert die spanische Primera Division, das Transferdefizit von 179 Millionen Euro nimmt sich aber vergleichsweise bescheiden aus. Die riesigen Ausgaben bringen freilich spielerische Qualität, Geld spielt doch Fußball. Die großen Pokale wandern quasi ausschließlich nach Spanien, England, Italien oder Deutschland.

Roter Stern Belgrad, Steaua Bukarest, Ajax Amsterdam, Olympique Marseille? Von Ruhm und Glanz der einstigen Topklubs ist etwas mehr oder weniger übrig, allesamt Statisten im großen Geschäft. Um die durch die TV-Rechte entstandene wirtschaftliche und sportliche Lücke zu den großen Ligen nicht weiter aufklaffen zu lassen, gibt es nur eine Möglichkeit, den Verkauf von Spielern. Unter diesen Vorzeichen kaum machbar: Eine langfristige sportliche Planung.

Besonders erfolgreich am Transfermarkt agiert Portugal: Der Überschuss der Primeira Liga beläuft sich in der aktuellen Saison auf 221 Millionen Euro. Die Spieler werden für teures Geld nach England oder Spanien verkauft, vergleichsweise günstiger Nachschub wird in Südamerika rekrutiert. Fallbeispiel Jackson Martinez: FC Porto verpflichtete den Kolumbianer 2012 für neun Millionen Euro und gab ihn nun für 35 Millionen an Atletico Madrid ab. Ein lukratives Geschäftsmodell.

In Österreich bäckt man derweil kleinere Brötchen: Die Transferzeit läuft im Normalfall auf ein Nullsummenspiel hinaus. Einzig die vergangene Saison stach heraus, als sich Red Bull Salzburg mit den Verkäufen von Alan, Sadio Mane und Kevin Kampl die Taschen füllte. Dem Plus von 46 Millionen Euro folgte die Kehrseite der Medaille, der sportliche Abschwung.

Die durch das Bosman-Urteil fixierte Arbeitnehmerfreizügigkeit ist aber auch Nährboden für das österreichische Nationalteam. Nicht weniger als 120 österreichische Kicker spielen aktuell in Deutschland. Von David Alaba bei Bayern München bis zu Maximilian Mayer beim TSV 1865 Dachau in der Bayernliga Süd. Die Tür zum europäischen Fußball steht weit offen. (Philip Bauer, 16.12.2015)