Rom – Italiens skandalumwitterter Ex-Freimaurerchef Licio Gelli ist am Dienstagabend in seiner Villa nahe der toskanischen Stadt Arezzo gestorben. Der 96-jährige Unternehmer, ehemaliger Chef der verbotenen Loge Propaganda Due (P2), war vor kurzem ins Krankenhaus eingeliefert worden.
Gelli gilt als Schlüsselfigur mehrerer politischer Skandale, die Italien in der Nachkriegszeit erschütterten. Unter anderem wurde er verdächtigt, in die mutmaßliche Ermordung des Mailänder Bankiers Roberto Calvi in den 80er-Jahren verwickelt gewesen zu sein. Calvi war wegen des Zusammenbruchs seiner Banco Ambrosiano in Untersuchungshaft gesessen und wurde später erhängt an der Londoner Blackfriars Bridge gefunden.
Kampf gegen spanische Republik
Während des Faschismus meldete sich der 1919 in Pistoia geborene Gelli als Freiwilliger für die "Schwarzhemden" – eine Miliz, die vom faschistischen Diktator Benito Mussolini nach Spanien geschickt wurde, um an der Seite Francos im Bürgerkrieg gegen die Republik zu kämpfen. Später wurde Gelli Verbindungsoffizier der "Schwarzhemden"-Leitung zu Nazi-Deutschland mit Kontakten zu Hermann Göring. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete er vermutlich für die CIA.
Gellis mutmaßliche geheimdienstliche Aktivitäten brachten ihm den Vorwurf ein, eine einflussreiche Rolle im Gladio-Projekt gespielt zu haben. Dabei handelte es sich um eine Art zivile Geheimarmee, aufgebaut von der CIA und der Nato. Sie sollte im Fall einer kommunistischen Regierungsteilnahme in Italien oder anderen europäischen Ländern zu Guerillamethoden greifen.
900 Politiker und Industrielle auf Geheimliste
Im Jahr 1981 entdeckte man bei einer Hausdurchsuchung von Gellis Villa in Arezzo eine Liste mit den Namen zahlreicher Militäroffiziere, Politiker und Personen des öffentlichen Lebens, die sich in der Geheimloge Propaganda Due engagierten. Darunter waren die Namen von mehr als 900 Politikern und Industriellen – auch der spätere Ministerpräsident Silvio Berlusconi – sowie führenden Bankiers wie Michele Sindona und Calvi. Die Entdeckung der Liste führte zu einem landesweiten Skandal, weil zahlreiche Ämter der Republik mit Gefolgsleuten Gellis besetzt waren.
Einige Jahre nach dem P2-Skandal wurde Gelli verdächtigt, in die mutmaßliche Ermordung Calvis verwickelt gewesen zu sein. Er wurde unter anderem wegen Irreführung der Behörden bei der Untersuchung des Terroranschlags auf den Bahnhof Bologna im Jahr 1980 verurteilt. Die mutmaßlichen Hintermänner wurden nie ausgeforscht. In den letzten Jahren widmete sich Gelli, der an einer Herzschwäche litt, vermehrt der Schriftstellerei. (APA, red, 16.12.2015)