Wien – Tierschützer Martin Balluch sprach von einem "historischen Moment". Noch am Dienstag sei er bei der Dokumentation der Jagd im Antheringer Jagdgatter von Mayr-Melnhof in Salzburg von Jägern herumgestoßen und beleidigt worden. In Wien saß der Obmann des Vereins Gegen Tierfabriken (VGT) am Mittwoch mit Forstdirektor Andreas Januskovecz von der MA 49 friedlich an einem Tisch und präsentierte das von der Stadt gemeinsam mit externen Experten ausgearbeitete neue Wildtiermanagement im Lainzer Tiergarten.
Dieses sieht im einstigen kaiserlichen Jagdrevier eine deutliche Reduktion des Wildtierbestands vor, ohne – wie es Balluch nennt – eine "Spaßjagd" im ummauerten Areal zu veranstalten.
Die Reduktion, die logischerweise viele Abschüsse vorsieht, sei nötig, weil im Ausflugsziel im Westen Wiens mit etwa 800.000 Besuchern pro Jahr der Wildtierbestand auch wegen des Mangels an natürlichen Feinden zu hoch sei, sagte Karin Büchl-Krammerstätter, die Leiterin der Umweltschutzabteilung.
Keine Jagd auf Trophäen
Forstdirektor Januskovecz ergänzte: "Die Tiere beeinträchtigen ihren eigenen Lebensraum." Gejagt werde, um Naturschutzziele zu erreichen oder Wildschäden zu minimieren "und nicht wegen der Jagd auf Trophäen". Januskovecz bezeichnete das als Ultima-Ratio-Jagd – also nur dann bejagen, "wenn es sein muss".
Die Treibjagd im Lainzer Tiergarten wird verboten. Die Wildtierfütterung wird eingestellt. Diese führt in einem nach außen abgeschotteten Areal zu Überpopulation. "Das hier ist keine Zuchtstation mehr", sagte Balluch.
Konkret soll das Schwarzwild, also Wildschweine, im Lainzer Tiergarten von 600 bis 700 Stück deutlich auf 200 bis 300 Exemplare reduziert werden, sagte Januskovecz dem STANDARD. "Es gibt hier für die Fläche viel zu viel Schwarzwild. Dabei haben wir die Population in den letzten zehn Jahren schon halbiert." Auch das Rehwild werde auf ein ökologisch verträgliches Maß reduziert.
Einige Wildtierarten verschwinden gänzlich
Von einigen Wildtierarten im Lainzer Tiergarten wird man sich gänzlich verabschieden. Januskovecz nennt Rotwild (Hirsche), von denen es nur noch einzelne Exemplare gibt, sowie Muffel- und Damwild. Von beiden Arten gibt es im Areal noch einige hundert Stück. Nicht mehr bejagt werden Marder und Füchse.
Neben den Abschüssen soll eine Geburtenkontrolle für Rückgang sorgen: Ein "Verhütungsprojekt" sieht vor, dass Wildtieren mittels Blasrohren Mittel injiziert werden, die zu einer Hormonumstellung und damit zu weniger Geburten führen sollen. Ob das Projekt wirksam ist, wird sich erst herausstellen. Zudem soll partiell ein natürlicher Wildwechsel zwischen Lainzer Tiergarten und Wienerwald ermöglicht werden.
Weiterhin gut zahlende Jagdgäste
Kritisch sieht Balluch, dass weiterhin zahlende Gäste mit einem Berufsjäger als Führer zum Trophäenabschuss erlaubt sind. "Die Jagd ist eine Einkommensquelle der Stadt", entgegnet Januskovecz. Die MA 49 nehme so 600.000 Euro im Jahr ein, im Lainzer Tiergarten sind es etwa 80.000 Euro. "Das ist nicht nix", sagt Januskovecz. Zeigen die Maßnahmen zur Reduktion des Wildtierbestands aber Wirkung, würde sich das mit den Jagdgästen langfristig über die Jahre freilich von selbst erledigen. (David Krutzler, 16.12.2015)