Bild nicht mehr verfügbar.

Weniger die Computerwährung Bitcoin selbst als die Technologie dahinter wird laut Philipp Vorndran das Leben im Allgemeinen und die Finanzwelt im Speziellen umkrempeln.

Foto: reuters/MARK BLINCH

"Ich kann mir vorstellen, dass 2015 eine Art Blaupause darstellt für die nächsten Jahre", glaubt Philipp Vorndran

Foto: Flossbach

STANDARD: Das Aktienjahr 2015 war von starken Schwankungen begleitet. Wird das im nächsten Jahr so bleiben?

Vorndran: Ich kann mir durchaus vorstellen, dass das Jahr 2015 eine Art Blaupause darstellt für die nächsten Jahre.

STANDARD: Aber es spricht aus Ihrer Sicht derzeit nichts dagegen, sich in Aktien zu engagieren?

Vorndran: Doch. Denn wer nicht mindestens fünf Jahre Zeit hat, hat am Aktienmarkt generell nichts zu suchen. Volatilität ist für mich nur dann ein Risiko, wenn ich zum falschen Zeitpunkt aussteigen muss. Wer genügend Zeit hat, für den ist sie Voraussetzung dafür, dass er überhaupt günstig einkaufen kann. Daher würde ich Volatilität als Chance, für kaufmännisch denkende Anleger sogar als es etwas Gutes bezeichnen.

STANDARD: Welche Branchen sind für Sie reizvoll?

Vorndran: Wir sind stark gewichtet im Bereich der 'alten' Technologie wie Microsoft oder Alphabet (früher Google, Anm). Wir mögen nicht-zyklischen Konsum wie Nestle oder Unilever sowie Pharma wie Novartis oder Roche – also eigentlich die stinklangweiligen, soliden Titel. Weil die eben Stabilität ins Portfolio bringen.

STANDARD: Wo heißt es eher "Hände weg"?

Vorndran: Wir haben seit 2007 keine einzige klassische Universalbank in unserem Portfolio. Viele sagen, irgendwann werden die Kurse wieder dort sein, wo sie 2007 gewesen sind. Sie vergessen aber, dass seither gigantische Kapitalerhöhungen durchgeführt wurden, die zu einer massiven Verwässerung des Gewinns je Aktie geführt haben.

STANDARD: Aber das spielt bei einem Neueinstieg keine Rolle.

Vorndran: Richtig, aber man sollte sich fragen, wie ein erfolgreiches Geschäftsmodell einer Universalbank in Zukunft aussehen könnte. Immer mehr Nischenplayer knöpfen sich die margenstarken Bereiche vor und zwingen die Banken dazu, die eigene Marge zu reduzieren oder aus dem Geschäftsbereich auszusteigen – allerdings bleibt der gigantische Kostenblock aus der Vergangenheit. Die Kapitalrenditen werden nicht mehr die Größe erreichen, die sie vor 2007 hatten. Das ist volkswirtschaftlich auch gut so, aber für Anleger stellen klassische Banken derzeit kein gutes Chance-Risiko-Verhältnis dar.

STANDARD: Würden Sie im Finanzbereich eher auf Start-ups setzen, die sogenannten Fintechs?

Vorndran: Das Fintech-Thema ist für uns hauptsächlich interessant, was die Blockchain-Technologie angeht, und weniger, was Investments in Start-ups betrifft.

STANDARD: Sie meinen die Technologie, die hinter der Kryptowährung Bitcoin steckt.

Vorndran: Ja genau. Das könnte im Banksegment – und nicht nur dort – ein bisschen das werden, was das Internet für unser tägliches Leben geworden ist.

STANDARD: Wie und wo wird diese Technologie eingesetzt?

Vorndran: In vielen Bereichen des Lebens, wo es um Dokumentation von Verträgen und Handlungen geht. Von der Immobilientransaktion, über Versicherungsverträge, den Zahlungsverkehr oder Abschlüsse am Kapitalmarkt. Seit Monaten gründen viele Unternehmen Arbeitsgruppen, um sich zu überlegen, wie sie in diesem neuen Umfeld überhaupt aktiv sein können, damit der Braten ihnen nicht durch Newcomer weggeschnappt wird. Selbst Nationalbanken denken schon darüber nach, ihre jeweilige Währung zur Kryptowährung werden zu lassen. Ich bin aber nicht sicher, ob das eine smarte Idee ist. Wenn sich Kunden einmal an Kryptowährungen gewohnt haben, dann stellen sie sich vielleicht die Frage, warum sie eine von der Notenbank verwenden soll und nicht eine unabhängige wie Bitcoin.

STANDARD: Wird es Banken, wie wir sie heute kennen, in zehn Jahren noch geben?

Vorndran: Sie müssen viel fokussierter sein, als es heute der Fall ist. Die Universalbank mit ihrer ganzen Produktpalette wird sich überlegen müssen, was sie am besten macht. Den Rest wird sie einfach aufgeben müssen. Es wird über kurz oder lang zu einem Sterben der klassischen Filiale kommen. Wenn sich junge Menschen an Mobile Banking gewöhnen, sind noch weniger da, die in Filialen kommen – das wird dramatische Auswirkungen haben.

STANDARD: Abgesehen von Schließfächern brauchen Bankgeschäfte keine physische Plattform mehr.

Vorndran: Wenn ich persönlichen Kontakt zu meinem Banker haben will, gibt es auch Skype oder Ähnliches. Viele alte Banken gründen auch et- was Neues, eine Online-Plattform, die nicht mehr nach Bank riecht und schmeckt, sondern versucht hip zu sein mit ein bisschen Social und Retail Content.

STANDARD: Sind auch andere Branchen in einem ähnlichen Umbruch?

Vorndran: Im klassischen Einzelhandel ist es ähnlich. Die Leute gehen in die Stadt, sehen sich irgendwo ein Produkt an und schauen dann am Smartphone, was das Produkt im Internet kostet und ordern es dann dort um 20 Prozent günstiger. Sobald Online-Händler Lieferung am selben Tag anbieten, ist das natürlich ein Killer für all jene, die teure Standorte in der Innenstadt betreiben. Es gibt nur sehr wenige Konsumgüter, bei denen es dazugehört, vor Ort zu kaufen. In China werden 50 Prozent der Nahrungsmitteltransaktionen bereits übers Internet abgeschlossen. Das können wir uns in Mitteleuropa noch gar nicht vorstellen, aber es wird auch hier kommen. Wer braucht dann die ganzen Geschäfte in Innenstadtlagen und was hat das für Auswirkungen auf die Erträge von Handelsimmobilien? Wenn man anfängt, darüber nachzudenken, wird das schnell sehr spannend.

STANDARD: Welche Anlageklassen außer Aktien sind sonst noch interessant?

Vorndran: Derzeit machen für den normalen Investor nur zwei Assetklassen Sinn: Das eine ist Cash, da bekomme ich von den Banken immer noch eine schwarze Null und habe perfekte Liquidität, keinerlei Volatilität und eine Staatsgarantie bis 100.000 Euro. Und auf der anderen Seite stehen erstklassige, globale Aktien. Je nach Risikobereitschaft mischt man beides untereinander.

STANDARD: Kaum Wachstum, kaum Zinsen und kaum Inflation – sieht so das neue Normal aus?

Vorndran: Genau, das ist das neue Normal. Der Grund dafür ist auch ganz einfach: Wie sollten die Staaten sonst ihre Schulden finanzieren? In dem neuen Normal muss ein Investor auch anfangen, neu nachzudenken. Das bedeutet, wenn er risikoarme Investments tätigen möchte, dann bleibt er auf Festgeld sitzen mit null Rendite.

STANDARD: Wie viel können Aktien in so einem Umfeld abwerfen?

Vorndran: Auch Aktieninvestoren müssen sich an eine neue Renditewelt gewöhnen. Gute Unternehmen werfen derzeit eine Gewinnrendite von sechs bis 6,5 Prozent ab, das ist das realistische Renditepotenzial. Wenn man defensiver für die Weltwirtschaft ist, zieht man etwas ab und kommt auf fünf Prozent. Das ist nicht die Welt, aber deutlich mehr als null Prozent. Mit Dividenden und Kursgewinn werden Aktien auf zehn Jahre Sicht die Nullzinsen schlagen, da bin ich mir sicher. (Alexander Hahn, 19.12.2015)