
Ein Grillenweibchen macht durch Vibrationssignale auf sich aufmerksam. Womöglich folgt das Liebesspiel.
Leipzig – Um einen Partner zu finden, verlassen sich viele Insektenarten auf akustische Signale – das gilt auch für Grillen. Bei verschiedenen Grillenarten aus der Unterfamilie Eneopterinae aus Südostasien und Neukaledonien entdeckte ein internationales Forscherteam nun aber eine überraschende Komponente in der Liebeskommunikation, die auf sehr ungewöhnlichem evolutionären Weg entstanden zu sein scheint.
Typisch für die Tiere ist, dass Männchen mit ihren abendlichen Zirpkonzerten versuchen, Weibchen auf sich aufmerksam zu machen. Diese fühlen sich von den relativ tiefen Tönen des männlichen Lockgesangs angezogen und suchen dann den für sie attraktivsten Sänger zur Paarung auf.
"Hochfrequente Töne ab 10 Kilohertz lösen jedoch einen Schreckreflex aus, da dies bedeutet, dass die Grille möglicherweise von der Ultraschall-Echoortung einer hungrigen Fledermaus erfasst wurde", erklärt Stefan Schöneich von der Universität Leipzig, Koautor der Studie in "Current Biology".
Verräterische Vibration
In der Unterfamilie Eneopterinae jedoch begannen vor einigen Millionen Jahren die Grillenmännchen, diesen Umstand für ihren Vorteil auszunutzen. Anstatt zu warten, bis sich eine paarungsbereite Partnerin nähert, entwickelten sie die Strategie, durch zunehmend hochfrequentes Zirpen Weibchen zu erschrecken.
Durch das Zusammenzucken bei der Schreckreaktion entsteht ein kurzes Vibrationssignal, das den Männchen den Aufenthaltsort der Weibchen verrät. Im Laufe der weiteren Evolution haben diese Insekten daraus dann wieder eine echte Kommunikation entwickelt, von der beide Geschlechter profitieren: Die Weibchen haben die ursprüngliche Schreckreaktion verloren und antworten jetzt – gezielt an das Männchen ihrer Wahl adressiert – mit einer Vibration, um ihre Position mitzuteilen.
"Das ist evolutionär sehr ungewöhnlich, dass ein ursprünglich aversives Signal nun zur Partnerfindung genutzt wird", sagt der Biologe, der seit Jahren die neuronalen Grundlagen des akustischen Verhalten von Insekten erforscht. (red, 20.12.2015)