Verzerrte Fakten, Rufzeichen, Alarmstimmung: Hasspostings sind oft eindeutig erkennbar.

Foto: Screenshot

Hasspostings sind eines der beherrschenden Themen der vergangenen Monate. Doch eine eindeutige Definition, was ein Hasskommentar eigentlich sei, ist schwer zu finden. Für jeden Menschen gibt es wohl eine persönliche "rote Linie", jenseits welcher Kritik zu Hass und Meinung zu Hetze wird. Ganz eindeutig ist auch die Rechtsprechung in Österreich nicht: So wurde das Verfahren gegen jenen Lehrling, der Flammenwerfer gegen junge Kinder forderte, eingestellt. Wie aus zahlreichen Kommentaren hervorging, haben viele Nutzer in jener Äußerung ein Hassposting gesehen.

Juristisch eindeutig: Gewalt und Drohungen

In Österreich wird der Strafbestand der Verhetzung streng ausgelegt. Einige Fälle sind eindeutig: Ruft jemand dezidiert zu Gewalt gegen eine Gruppe auf, wird eine Verurteilung folgen. Wird das Leben eines Politikers bedroht, trifft der Tatbestand der "gefährlichen Drohung" zu. Doch schon die im Gesetz zur Verhetzung gewählte Formulierung der " die Menschenwürde verletzenden" Beschimpfung ist schwierig zu fassen. Die Grünen haben diesbezüglich einen detaillierten Leitfaden auf ihrer Website veröffentlicht.

Interdisziplinäre Forschungsprojekte aus Linguistik und Politikwissenschaften haben in den vergangenen Jahren allerdings zahlreiche Modelle entwickelt, mit denen auch die verdeckte und indirekte Hassrede kategorisiert werden kann.

Checkliste für Menschenwürde

Ein Beispiel dafür ist etwa der sogenannte Bürger-Test, der Rassismus entlarven will. Jeder Buchstabe des Akronyms "Bürger" steht dabei für eine andere Eigenschaft der Äußerung, die potenziell herabwürdigend ist:

  • Barbarisierung: Die westliche Kultur steht in der rassistischen Gedankenwelt prinzipiell über anderen. Ein Beispiel ist etwa bei Müllproblemen in Asylwerberheimen der Verweis, in Afrika wäre es ja "auch so dreckig", die Afrikaner "kennen Umweltschutz ja nicht".

  • Überzeichnung: Dazu gehören Karikaturen, in denen Schwarzen etwa mit einer besonders "dicken Negerlippe" gezeichnet werden. Beispiele sind auch beim Antisemitismus zu finden: FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache geriet wegen einer von vielen als antisemitisch wahrgenommenen Karikatur auf seiner Facebook-Seite unter Druck.

  • Rassifizierung: Damit ist gemeint, Menschen aufgrund ihrer Abstammung pauschal bestimmte Eigenschaften zuzuweisen. Das gilt auch für Religionen und Kulturkreise, die in der rassistischen Theorie die "Blutrasse" mittlerweile abgelöst haben. Ein aktuelles Beispiel dafür ist etwa die Theorie der "Menschentypen" des deutschen Politikers Björn Höcke, der in Thüringen der Alternative für Deutschland (AfD) vorsteht.

  • Genetifizierung: Ähnlich wie bei der Rassifizierung werden hier bestimmte Eigenschaften einem unterschiedlichen "Gen-Set" zugeschrieben. Bedeutende Genforscher wie Svante Pääbo halten solche Modelle für widersinnig. Alle Menschen stammen von einer afrikanischen Frau ab, die vor rund 150.000 Jahren gelebt hat. In einer einzelnen Stadt kann zwischen fünf zufällig ausgewählten Probanden größere genetische Unterschiede geben als zwischen mehreren Kontinenten.

  • Exotisierung: Menschen aus anderen Kulturkreisen werden verniedlicht und nicht als vollwertig genommen. Dazu gehört es auch, von den "schönen, wilden Syrern" zu schreiben. Diese Problematik wird oft auch beim Antiziganismus fetsgestellt, da Roma und Sinti oftmals halb ehrfurchtsvoll "magische Fähigkeiten" zugeschrieben wurden – und werden.

  • Rationalisierung: Hiermit wird der Versuch beschrieben, die oben genannten Punkte wissenschaftlich zu legitimieren, auch wenn es sich dabei um eine radikale Vereinfachung wissenschaftlich komplexer Forschungsergebnisse handelt.

Herabwürdigende Endungen

Der Sprachwissenschafter Jörg Meibauer erklärt, dass schon einzelne Silben oder Satzkonstruktionen Hinweise auf eine Hassrede geben können. Zu nennen sind etwa die Endungen "-ling", "-ler", oder das vorangestellte "Gut-". Für Österreich wäre auch "-ant" zu nennen, etwa im Fall des "Asylanten". Sie mögen zwar per se keine Hassrede konstituieren, respektvoll sind sie allerdings in den wenigstens Fällen. Auch das Satzkonstrukt "bestimmte Gruppe plus Richtungsangabe" ist oftmals ein Hinweis auf Hasspostings – beliebteste Richtungsangabe dürfte dieser Tage "raus" sein, etwa in "Ausländer raus!".

Klingt positiv, ist aber ein Hassposting

Die Amadeu-Antonio-Stiftung, die sich mit Hetze beschäftigt, nennt auch die "Gegenüberstellung von Wir- und Ihr-Gruppe und das Konstruieren eines Handlungszwangs" als ein mögliches Merkmal für Hassrede. Gemeint sind damit Sätze wie: "Wenn wir die Flüchtlinge weiter unkontrolliert nach Österreich lassen, wird unsere Kultur zerstört werden." Ebenso nähren vermeintlich logisch und positiv klingende Aussagen den Boden für eine hasserfüllte Stimmung. Wer einen Griechen beispielsweise mit den Worten "Er ist Grieche, aber fleißig" beschreibt, versteckt darin eine Hassrede gegen die restliche griechische Bevölkerung. Solche Satzkonstruktionen sind vor allem im Zusammenhang mit Sexismus gebräuchlich.

Diskurs unmöglich

Ein wichtiges Merkmal für Hasspostings ist auch, dass sie keinerlei Anschlusskommunikation ermöglichen, so die Amadeu-Stiftung weiter. Wer beispielsweise von der "Lügenpresse" schreibt, ohne konkrete Beispiele zu nennen, hat sich bereits von Vornherein von einer Diskussion verabschiedet. Dazu zählen auch Verschwörungstheorien – etwa, dass die US-Amerikaner den "Islamischen Staat" finanzieren würden.

Eines ist jedoch klar: Entscheidend bleibt der Kontext der Äußerung – in all seinen Facetten. Oftmals sind Wörter, die herabsetzend wirken, im allgemeinen Diskurs anerkannt und werden "arglos" verwendet.

Es schadet jedoch nicht, diese fortwährend zu überprüfen. So ist der Begriff "Neger" heutzutage verpönt, obwohl er vor einigen Jahrzehnten noch Usus war. Benutzt jemand, der mit dieser Diktion aufgewachsen ist, heute noch das Wort "Neger", ist ihm nicht reflexartig Hassrede zu unterstellen.

Respekt bringt Debatten

Festgehalten werden muss außerdem, dass Warnungen vor möglicher Hassrede keinesfalls die Debatte abwürgen sollen. So spricht Sprachwissenschafter Jörg Meibauer etwa davon, dass gerade die respektvolle Auseinandersetzung mit Argumenten die Gesellschaft voranbringe. Doch durch hasserfüllte Sprache und herabwürdigende Äußerungen würde die Diskussion schnell verstummen – genau daher solle man seine Wörter mit Bedacht wählen. (Fabian Schmid, 16.12.2015)