In einem ersten deutschen Prozess um eine mögliche Gesundheitsgefahr durch die Anti-Baby-Pille "Yasminelle" ist der Versuch einer Einigung zwischen Klägerin und dem Hersteller (Bayer) am Donnerstag gescheitert. Nach knapp fünf Stunden Verhandlung vertagte das Landgericht im baden-württembergischen Waldshut-Tiengen den Prozess am Donnerstag auf das nächste Jahr.

Man betrete mit dem Verfahren Neuland, sagte der Vorsitzende Richter Johannes Daun. Eine außergerichtliche Einigung sei nicht möglich gewesen, betonte er. Beide Seiten beharrten auf ihren Positionen. Weitere Prozesstermine stehen noch nicht fest.

Verhandelt wird zivilrechtlich die Klage der 31-jährigen Felicitas Rohrer gegen den Chemie- und Arzneimittelkonzern Bayer mit Sitz in Leverkusen. Dieser vertreibt die Pille. Rohrer will erreichen, dass das Verhütungsmittel vom Markt genommen wird, weil sie es für gefährlich hält.

Sachverständige dazuziehen

Notwendig sei das Hinzuziehen von mindestens zwei Sachverständigen, sagte der Richter. Diese sollen im nächsten Jahr benannt werden. Nach Angaben des Gerichts handelt es sich um die erste Klage in diesem Fall in Deutschland. Die Frau hat demnach im Juni 2011 Klage eingereicht, seither läuft das Verfahren. Am Donnerstag kamen die Kontrahenten zur ersten mündlichen Verhandlung zusammen und trafen damit erstmals direkt aufeinander.

Nach dem Willen der Klägerin soll Bayer umfassend Auskunft über "Yasminelle" geben. Sie macht die Pille mit dem Gestagen-Wirkstoff Drospirenon für gesundheitliche Probleme verantwortlich. So habe das Mittel ein mindestens doppelt so hohes Thrombose-Risiko wie andere Präparate.

Nach der Einnahme der Pille habe sie im Juni 2009 eine beidseitige Lungenembolie erlitten und sei daran fast gestorben. Sie fordert mindestens 200.000 Euro Schadensersatz und Schmerzensgeld. Ein erhöhtes Thromboserisiko bei Einnahme hormoneller Antikontrazeptiva ist seit vielen Jahren bekannt. Darauf müssen Frauen auch bei der Erstverschreibung durch den Arzt informiert werden.

Relativierung des Herstellers

Der Pharmakonzern halte die Klage für unbegründet, sagte der Rechtsanwalt des Unternehmens, Henning Moelle, am Rande des Prozesses. Ein Sprecher des Konzerns sagte: Durch wissenschaftliche Daten sei bestätigt, dass von der Anti-Baby-Pille und dem Wirkstoff bei korrekter Einnahme keine Gefahr ausgehe.

Die Pillen der Produktgruppe werden nach Darstellung von Bayer täglich millionenfach eingenommen, in mehr als 100 Ländern. Bereits in drei Prozessen in Deutschland, in denen es um den umstrittenen Wirkstoff gegangen sei, habe Bayer gesiegt, betonte das Unternehmen.

Wirkstoff Drospirenon im Fokus

Das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn hatte im März 2014 verkündet, dass von einigen Anti-Baby-Pillen ein erhöhtes Thrombose-Risiko ausgehe und die Hersteller darauf aufmerksam machen müssten. Vor allem der Wirkstoff Drospirenon sei für das Risiko verantwortlich. Das trifft nicht nur Bayer, sondern auch andere Hersteller. Gleichzeitig ordnete es neue Studien an. Vom Markt genommen werden müssen Pillen nach Einschätzung des Bundesinstitutes deshalb nicht.

In den USA hatten mehrere tausend Frauen gegen Bayer geklagt. Bis Anfang dieses Jahres schloss der Konzern den Angaben zufolge rund 9.000 Vergleiche von insgesamt 1,9 Milliarden US-Dollar (1,74 Mrd. Euro) ab, ohne jedoch eine juristisch wirksame Verantwortung anzuerkennen. In den USA gehören solche Massenklagen zum juristischen Alltag. (APA, 17.12.2015)