Buntheit ohne spanische Folklore: Carmen (Eva-Maud Hubeaux, Mitte) am Stadttheater Klagenfurt.

Foto: Aljosa Rebolj

Klagenfurt – Regiealtmeister Cesare Lievis neue Klagenfurter Carmen stirbt mit einem Lächeln auf den Lippen. Es gilt der Gleichzeitigkeit, mit der dem Stier in der nahen Arena das Eisen ins Herz gestoßen wird. Es gilt auch der Erleichterung darüber, dass ein Lust- und Leidensweg an sein unausweichliches Ende gelangt ist. Das subtile Detail ist eines von vielen, mit denen die Neudeutung von Georges Bizets populärster Oper am Stadttheater aufwartet.

Tanzende Violinen

Da zerbricht Eve-Maud Hubeaux als gefährlich attraktive Titelheldin kurzerhand einen Teller, um seine beiden Hälften, Vorzeichen der zerbrechenden Beziehung zu Don José, als Kastagnetten zu verwenden. Und in Lillas Pastias Spelunke, wo die Instrumente Stimmen und Körper zum großen Sinnenrausch treiben, zieren F-förmige Tattoos die Rücken der Tänzerinnen, als hätten sie sich in Violinen verwandelt.

Den großen Pomp und die Buntheit der spanischen Folklore lässt Lievi beiseite. Fast karg wirken die weißen Schiebewände der Polizeistation, die sich zweimal kurz zur Fassade der Zigarettenfabrik öffnen. Im Schmuggler-Akt ragt eine Felswand aus dem Hintergrund. Die Vermummung der Banditen vermittelt, wie unwirtlich es in diesem Berglager ist.

Originelle Ideen

Den meisten optischen Effekt tragen die Kostüme (orangerot leuchtende Kleider von Marina Luxardo) und, beim Einzug des Toreadors, überlebensgroße Puppen bei, die den archaischen Aspekt des blutigen Rituals unterstreichen. Und eben ein paar schon sehr originelle Ideen: Zum Vorspiel des zweiten Akts fantasiert sich der gefühlvolle Don José (Demos Flemotomos) seine Carmen als Nackttänzerin vor die Gitterstäbe. Lorenzo Viotti, ein noch blutjunger gebürtiger Schweizer, lässt als musikalischer Leiter seinem Temperament freien Lauf:

Die Ouvertüre prescht los wie ein Stier. Beeindruckend leitet der Dirigent Orchester und Ensemble aber auch durch die großen Crescendi, und ganz lyrisch untermalt er die beiden sehr schön geratenen Szenen Elsa Benoits als Micaëla. Eine Selbstverständlichkeit an diesem Haus, für die man dennoch immer wieder dankbar ist: Die großen Chorszenen gelingen in einer Präzision und Klangkraft, die ihresgleichen sucht. (Michael Cerha, 17.12.2016)