Als wäre die stille Nacht ein letzter Termin für umstürzende Inspirationen, schieben die Parteien Entscheidungen, die Nachfolge Heinz Fischers betreffend, auf nach Weihnachten hinaus, obwohl sie im Wesentlichen ohnehin längst gefallen sind. Die Ziererei wird allmählich umso lächerlicher, als sich der Überraschungswert der Kandidaten in Grenzen hält. Einzig Irmgard Griss bekennt offen, dass sie auf den Geschmack gekommen ist, ohne allerdings auch mitzuteilen, wer sie auf den Geschmack gebracht hat. Dass sie ihre Entscheidung, kandidieren zu wollen, allein im stillen Kämmerlein getroffen hat, hätte ihr ohnehin niemand abgenommen, und es ist ein Glücksfall demokratiepolitischer Offenheit, dass Martin Bartenstein, schwarz-blaues Urgestein aus Schüssel-Zeiten, im Kurier das Patent angemeldet hat.

Der ist natürlich nicht so naiv zu glauben, irgendwer würde ihm den scheinheiligen Vorschlag abnehmen, SPÖ und ÖVP mögen doch Frau Griss als gemeinsame überparteiliche Kandidatin aufstellen. Überparteilich und Bartenstein – an das Zusammengehen dieses Begriffspaares im Gedächtnis der Sozialdemokraten glaubt er selber nicht. Mit seiner überraschenden Neigung zu Überparteilichkeit ist er nicht einmal in der eigenen Partei besonders gut angekommen, zumal er die Hoffnung nicht ohne weiteres aufgeben will, die Koalition könnte sich doch noch einen Ruck in seine Richtung und gegen Erwin Pröll geben.

Der Kurier musste daraufhin gleich am nächsten Tag eine Leser-"Hotline" legen, die an Devotion nichts zu wünschen übrig ließ und in deren Verlauf Erwin Pröll den Purzelbaum zwischen seiner Unverzichtbarkeit in Niederösterreich und einer schwarz etikettierten Selbstberufung in die Hofburg versuchte. Er steigerte sich dabei in eine wahre Erkenntnisraserei: "Es wird sich die Welt drehen, wenn es den Erwin Pröll eines Tages nicht mehr gibt." Ausschließen kann man das nicht, aber stärker denkt er doch in diesseitigen Kategorien: "Dieser Wahlkampf wäre von meiner Seite her zu gewinnen." Nicht gut für die Seite Bartensteins.

Dessen Kandidatin hat jedenfalls die Runde der Interviews und zwei Hearings bei Parteien hinter sich gebracht, ehe andere Kandidaten sich ihres offiziellen Status rühmen dürfen. Herausgekommen sind dabei – höflich formuliert – viel diplomatisches Geplauder und Geschick im Vermeiden einer kantigen Aussage sowie einige Schnitzer. Ihre Anregung, den parlamentarischen Hypo-Untersuchungsausschuss einzustellen, war einer, das Antanzen vor der FPÖ zu einer Anhörung ein anderer. Sich einer Partei, die ihr politisches Geschäft mit Hetze gegen Asylsuchende und gegen die Europäische Union betreibt, zum Maßnehmen zur Verfügung zu stellen, ohne – zumindest – deutlich gegen deren Politik Stellung zu beziehen, ist keine Empfehlung.

Ihre Aufforderung an die FPÖ, doch bitte "einen Stil zu verwenden, der nicht als verhetzend empfunden wird", ist rührend. Sollten Strache und seine Spießgesellen sich diese Aufforderung wirklich zu Herzen nehmen, wäre Frau Griss eine ernsthafte Kandidatin. Leider ist kaum anzunehmen, dass die sich ohne Notwendigkeit ihre Geschäftsgrundlagen wegmoralisieren lassen. (Günter Traxler, 17.12.2015)