Sehen die Politik gefordert, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen: Wifo-Chef Karl Aiginger (links) und IHS-Ökonom Helmut Hofer.

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Österreichs Wirtschaft soll nächstes Jahr stärker wachsen als die deutsche: Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) wird es freuen.

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Wien – In knapp zwei Wochen ist das Jahr vorbei, und wenn es nach Wifo-Chef Karl Aiginger geht, ist das auch besser so. "2015 war ein schlechtes Jahr", sagte der oberste Wirtschaftsforscher des Landes am Donnerstag vor Journalisten. Die Arbeitslosigkeit ist stark gestiegen, das Wirtschaftswachstum war schwach. Der Ökonom musste so knapp vor den Feiertagen aber nicht den Spielverderber mimen, denn er hatte bei der Vorstellung der neuen Konjunkturprognose auch gute Nachrichten im Gepäck: "2016 wird besser."

Österreich hinkt der Eurozone seit zwei Jahren beim Wachstum hinterher. Wenn Wifo, IHS und Nationalbank mit ihren Prognosen recht behalten, dann ist damit im kommenden Jahr Schluss. Österreich schließt beim Wachstum wieder auf, soll um 1,6 Prozent (IHS), 1,7 Prozent (Wifo) beziehungsweise 1,9 Prozent (OeNB) wachsen. Das Wifo, das seine Prognose wegen der Flüchtlingsausgaben um 0,3 Prozentpunkte nach oben geschraubt hat, rechnet sogar damit, dass Österreich Nachbar Deutschland beim Wachstum überholen wird.

Dann ist also alles wieder okay? Nicht so schnell. Ja, Österreich erhole sich wirtschaftlich, aber nein, Entwarnung könne man deshalb noch nicht geben, sagte Wifo-Chef Aiginger. Das Wachstum wird im kommenden Jahr nämlich durch ein paar Sondereffekte angeschoben. So pusht die Steuerreform etwa den Konsum, und der Staat nimmt Schulden für die Flüchtlinge auf. Ohne diese beiden Faktoren wäre das Wachstum laut Wifo und IHS um circa einen halben Prozentpunkt niedriger, Österreich läge also wieder hinter dem Euroraum und Deutschland.

Pessimismus überwiegt

Außerdem helfen der billige Euro und der niedrige Ölpreis, die allerdings durch steigende Mieten und höhere Preise für Dienstleistungen bisher mehr als wettgemacht wurden. Die Reallöhne sind heuer laut Wifo zum sechsten Mal in Folge nicht gestiegen, das soll sich nächstes Jahr aber ändern. Die Investitionen ziehen etwas an, sind aber noch immer niedrig. Der Pessimismus unter Unternehmen dominiere weiterhin, so Aiginger. Trotzdem läuft es konjunkturell etwas besser, da hilft auch der Aufschwung in Osteuropa, von dem österreichische Betriebe besonders profitieren.

Damit das Land aber wieder von sich aus ordentlich wachse, müsse die Politik Reformen angehen und so die Stimmung drehen, so Aiginger. Die Arbeitslosenrate steigt laut Wifo-Prognose bis 2017 auf 10,2 Prozent, das IHS rechnet mit 9,8 Prozent. Die Arbeitslosigkeit würde nur dann wieder zurückgehen, wenn Arbeitslose ihre Qualifikationen besser an die Nachfrage der Unternehmen anpassen würden, sagte der Ökonom. Die Flüchtlinge seien hier ein "zusätzliches Problem".

Arbeitslosigkeit steigt weiter

Sein IHS-Kollege Helmut Hofer stimmte zu: "Die Probleme im unqualifizierten Bereich werden sich verschärfen." Schon jetzt hat die Hälfte der Arbeitslosen maximal einen Pflichtschulabschluss. Die Integration der Flüchtlinge in den Jobmarkt sei von enormer Bedeutung, sagte Hofer, aber sie dürfe nicht zulasten der Langzeitarbeitslosen gehen. Im November waren 146.100 Menschen in Österreich bereits länger als ein Jahr ohne Job. Je länger Menschen keiner Arbeit nachgehen, desto schwerer sind sie in der Regel auch zu vermitteln.

Beide Ökonomen sehen die zusätzlichen Ausgaben für Flüchtlinge als willkommenen Schub für die schwache Konjunktur. Das Wifo beziffert die Kosten in der Grundversorgung mit 11.000 Euro pro Flüchtling und Jahr. Für Kinder und Jugendliche, die ohne Eltern nach Österreich gekommen sind, mit 45.000 Euro. Andererseits steige dadurch aber auch das Defizit, und irgendwann müsse man das dann auch finanzieren. Aiginger: "Ja zu mehr Ausgaben für Flüchtlinge, ja zu mehr Schulungen, aber jeder soll dazusagen, wo er sparen will." Denn bei der Steuerbelastung sei in Österreich schlicht und einfach eine Obergrenze erreicht.

Die Arbeitslosigkeit dürfte indessen über längere Zeit nicht zurückgehen. Die 1,6 bis 1,7 Prozent Wachstum, die Wifo und IHS für das nächste Jahr vorhersagen, sei schon eine Obergrenze, sagte Aiginger. Unter normalen Umständen stagniere damit die Arbeitslosenrate, weil im kommenden Jahr 40.000 und 2017 48.000 Flüchtlinge auf den Arbeitsmarkt kommen, steige sie aber weiter. Man müsse sich Gedanken machen, wie man mit wenig Wachstum mehr Jobs schaffe, so der Wifo-Chef. (sat, 18.12.2015)