Bild nicht mehr verfügbar.

Donald Trump, der mit allen Wassern gewaschene Medienprofi, weiß, wie er eine Halle zum Kochen bringt – zumindest dann, wenn die Orchestrierung bis ins kleinste Detail durchgeplant ist.

Foto: AP / Charles Krupa

Es beginnt mit einer Panne: Das kleine Mikrofon, das die Regie ans Revers des Kandidaten geklemmt hat, funktioniert nicht. In den vorderen Reihen ist zwar noch zu hören, wie er verspricht, etwas "Fantastisches für dieses Land" zu tun. Doch die meisten in der Basketballhalle der Aiken Pacers, einem Stadion in South Carolina mit 4000 Plätzen, bekommen nichts mit.

Donald Trump, der Profi der Medienbühne, merkt es an der aufkommenden Unruhe. Kurz entschlossen reißt er das Mikrofon vom Revers, schleudert es mit verächtlicher Geste zu Boden und lässt sich ein neues geben; eines, das er in der Hand halten muss.

"Also ehrlich: Dem Tontechniker, der hier den Auftrag bekam, dem würde ich keinen Cent zahlen. Du machst einen lausigen Job, Tontechniker, dafür zahle ich nicht!", poltert er. Bei Politikern, so spinnt er sogleich den Faden weiter, da wäre das sicher anders: Die nähmen aber auch nicht ihre eigenen Dollarscheine in die Hand, sondern immer nur das Geld anderer Leute!

Von den Rängen prasselt Applaus. Ja, so mögen sie ihn, den Boss! So kennen sie ihn aus der Reality-TV-Show "The Apprentice", in der er Jungmanager mit einem resoluten "Du bist gefeuert!" vor die Tür setzte, wenn er sie für unfähig hielt.

Trump, so schwärmt David Tolias, stehe für Klarheit. Er ist 38 Jahre alt, Arbeiter in einer Reifenfabrik und wird den Mann wählen. Keinen anderen, so viel ist sicher. Auch für den Fall, dass der Baulöwe die republikanische Kandidatenriege verlassen sollte, um als Unabhängiger anzutreten – womit er aber, so sagt er, die "Grand Old Party" ihrer Wahlchancen im Duell gegen Hillary Clinton berauben würde. Davids Frau Cecelia, 28, arbeitet bei einem Paketdienst und sieht in Trump einen Mann der "ausspricht, was viele Leute denken, sich aber nicht öffentlich zu sagen trauen".

Dass Trump vorerst keine Muslime mehr einreisen lassen will, nachdem ein islamistisches Ehepaar im kalifornischen San Bernardino einen Terroranschlag verübt hatte, finden beide "nicht schön, aber richtig". Schwere Zeiten, klare Kante.

Angst vor düsteren Szenarien

Sie haben Angst – nicht nur vor Attentaten, sondern auch vor düsteren Szenarien, wie sie in den Debatten des stockkonservativen TV-Senders Fox News immer durchgespielt werden. David plagt die Vorstellung, "dass wir eines Tages so viele Muslime im Land haben, dass sie uns ihren Willen aufzwingen können und ich meine Kultur verändern muss".

Kitty Chavis, ein Berufsleben lang Bankangestellte, sieht es deutlich gelassener. Von Sehnsucht spricht sie, von ihrer Sehnsucht nach einem neuen Ronald Reagan. Vielleicht könne Trump "irgendwie, ein bisschen zumindest", so sein. Ronnie sei ja anfangs auch gegen den Parteistrom geschwommen, als er die Platzhirsche herausforderte – genau wie es Trump heute tue. Chavis hat in letzter Zeit immer nur Republikaner erlebt, die sie enttäuschten: erst George W. Bush im Oval Office, dann John McCain und Mitt Romney, die nacheinander gegen Barack Obama verloren.

"Wenn Mister Trump bloß nicht so arrogant wäre", fügt sie zweifelnd hinzu, während ihr Mann Lonnie allein schon den Geschäftserfolg des Tycoons für ein Qualitätssiegel hält. Der Mittsechziger pflanzt, beschneidet und fällt Bäume schon seit seinem 18. Lebensjahr, seine Unterarme sind übersät von Narben. "Donald weiß, wie es geht", sagt er.

Trump hat Senator McCain, den viele als Kriegshelden verehren, da er in vietnamesischer Gefangenschaft gefoltert worden war, wegen seiner Gefangennahme verhöhnt. Er hat eine TV-Moderatorin sexistisch beleidigt und einen körperbehinderten Reporter der "New York Times" nachgeäfft. Und seine Rivalen im Bewerberrennen greift er grundsätzlich persönlich an, sobald sie ihm in die Quere kommen: Er charakterisiert sie als "energielos" (Jeb Bush), "pathologisch" (Ben Carson) oder "leichtgewichtig" (Marco Rubio).

Bei anderen hätte wohl schon ein Bruchteil solcher Ausfälle gereicht, um sie abstürzen zu lassen. An Trump perlt alles ab. Bisher hat ihn noch jede Kontroverse gestärkt. In den Augen seiner Anhänger darf er sich alles erlauben, weil er ein politisches Establishment herausfordert, von dem sie sich im Stich gelassen fühlen.

"Er ist einer von uns", sagt David Tolias. Ob ein Milliardär für einen Malocher sprechen könne? "Klar! Du kannst steinreich sein und dennoch mit beiden Beinen fest auf dem Boden stehen." Außerdem, fügt er hinzu, er habe sich das anders vorgestellt, als die Konservativen bei der Wahl 2010 die Mehrheit im Kongress übernahmen und sie 2014 auf rekordverdächtige Werte ausbauten. "Wir haben die Demokraten damals richtig vermöbelt. Und was haben unsere Leute für uns getan? Nichts, einfach nichts."

Vorhang auf!

Barack Obamas Gesundheitsreform wurde nicht rückgängig gemacht, der Atom-Deal mit dem Iran nicht gestoppt, die Legalisierung der Homoehe nicht aufgehalten: Tolias' Bilanz klingt nach Verzweiflung. Daher: Vorhang auf für einen robusten Typen, der schon wisse, wie man etwas durchsetzt!

Donald Trump, der Populist, der von der Angst lebt. Und vom Frust. Michael Kazin, Historiker an der Georgetown University in Washington, erkennt ein Phänomen, das tiefe Wurzeln habe in der politischen Kultur der USA: Ein reicher Mann, den jeder kenne, verspreche vage, alles zu heilen, woran die Nation kranke. "Und das zu einer Zeit, in der nahezu alle Republikaner, aber auch etliche Demokraten glauben, dass die Politiker den Niedergang Amerikas entweder nicht aufhalten können oder nicht aufhalten wollen."

Trump, so der Geschichtsprofessor, erinnere ihn weniger an Hitler oder Mussolini, mit denen er neuerdings verglichen werde, sondern eher an Henry Ford. Auch der legendäre Automagnat habe Gefallen daran gefunden, mit kontroversen Statements für Schlagzeilen zu sorgen. Auch über Ford schrieben Leitartikler damals, in den 1920er-Jahren, er wecke ganz andere Hoffnungen als der "lahme" Präsident an der Pennsylvania Avenue.

Im Übrigen, doziert Kazin, sei die Feindseligkeit gegenüber Einwanderern, gegenüber dem Unbekannten, wie Trump sie propagiere, auch einem klassischen Einwanderungsland wie den USA keineswegs fremd: Schon in den 1850er-Jahren warf die American Party, eine Partei alteingesessener Protestanten, irisch- und deutschstämmigen Katholiken vor, sie seien Handlanger des Papstes und eine Gefahr für die junge Republik.

"Politisch korrekt zu sein, das können wir uns nicht länger leisten! Wir müssen hart sein, Leute, man lässt uns keine Wahl!", ruft Trump, worauf seine Fans in Sprechchören jubeln: "America! America! America!"

Aber es ist nicht so, dass er immer nur poltert. Trump variiert, einmal heizt er die Stimmung an, dann reißt er Witze. "Sagt: Wer hat das bessere Haar, Alan oder Donald?" Alan Wilson, der Justizminister South Carolinas, der neben ihm in einem grauen Sessel auf der Bühne sitzt, um Fragen zu stellen, tendiert früh zur Glatze. Und in Sarasota, Florida, mietete er einmal einen Elefanten, auf dessen Haut er mit Kreide seinen Slogan schreiben ließ: "Make America Great Again". Zirkus Trump.

"Verlogene Medien"

In Aiken fordert er die Menge unvermittelt auf, sich umzudrehen und den Journalisten hinten in der Halle durch hämisches Winken zu zeigen, was man von den "Mainstream-Medien" hält. "Die sind so verlogen, das glaubt ihr kaum!", pöbelt er. Ihre Kameras würden nie über die Zuschauerreihen schwenken, sie würden immer nur die Bühne zeigen, damit ja niemand am Bildschirm mitkriege, wie groß die Menschenmenge sei. Showman Trump hat leichtes Spiel: Der ganze Saal dreht sich um und feixt über die Journaille. Sie, die Medien, gegen uns: Als wäre die Arena der Pacers eine Wagenburg, als wären die Kameraleute Boten des Feindes.

Dann redet Trump von sich selbst – kaum ein Satz ohne "wunderbar", "wunderschön" oder "großartig": "Ich habe eine wirklich großartige Firma aufgebaut, extrem niedrige Schulden, einige der wunderbarsten Immobilien der Welt." Oder die Mauer, mit der er die Grenze zu Mexiko abschotten will: "Hoch wird sie sein, mit einer wunderschönen Tür, durch die man eintreten kann, sofern man ein Visum hat." "Baut die Mauer! Baut die Mauer!", dröhnt das Echo durch die Halle.

Es ist aber auch nicht so, dass es keinen Widerspruch gäbe: Kaum hat Trump gegen die Political Correctness gewettert, fährt ihm eine Gruppe von Studenten lautstark in die Parade: Der Ku-Klux-Klan habe in den USA nichts zu suchen! Ordner schieben die Störenfriede hinaus, während das Publikum sie niederschreit: "Trump! Trump! Trump!" So hat die Regie gleich zu Beginn das Publikum üben lassen: Wann immer Protest aufkeimt, ist er lautstark zu übertönen.

Prügelei im Publikum

Bei Jibril Hough geht es weniger glimpflich ab. Der weiße Südstaatler aus North Carolina, der zum Islam konvertierte und einer Moschee in Charlotte als Sprecher dient, war aufgestanden, um mit den Worten "Schließt Gitmo!" die Auflösung des Gefangenenlagers Guantánamo zu verlangen. Vielleicht liegt es daran, dass er eine Gebetskappe trägt: Jedenfalls wird er von zwei kräftig gebauten Sitznachbarn regelrecht weggeprügelt, bevor Polizisten einschreiten können. In Trump, sagt Hough hinterher, sehe er einen Clown: "Bloß: Er ein Clown, den man langsam ernst nehmen sollte." (Frank Herrmann, 19.12.2015)