Wien – Für Recherchen, bei Kontakten mit der Polizei und Behörden oder für Akkreditierungen benötigen ihn Journalisten manchmal: den Presseausweis. Ausgestellt werde er aber inflationär und nicht selten beantragt, um Vergünstigungen zu bekommen. "Es gibt Presseausweise wie Sand am Meer", sagte Eike-Clemens Kullmann, Geschäftsführer des Kuratoriums für Presseausweise, zum STANDARD.

Kullmann meint aber nicht die eigenen – über das Kuratorium sind derzeit 5.800 Presseausweise im Umlauf –, sondern Organisationen, die mit Presseausweisen "Geschäftemacherei" betrieben, denn: In Österreich existiert weder ein offizieller Presseausweis, noch gibt es einheitliche Kriterien für die Vergabe. Die Marke lässt sich nicht schützen. Wie viele insgesamt zirkulieren, lasse sich nicht seriös schätzen, nur so viel: "Es sind viel mehr Ausweise als Journalisten."

Rabattschlacht um Mitglieder

Computerarbeit kann zu Haltungsschäden führen, Journalisten sollten sportlich und adrett sein. So oder so ähnlich könnte das Argumentarium hinter folgenden Angeboten lauten. "Physiotherapie, 10 Prozent Exklusivrabatt" in einer Praxis, "Rabatte bei der Ausbildung zum Sporttaucher" in einer Tauchschule, "Sonderkonditionen" in einem Fitnesscenter, "Sonderrabatt bei Maßanzügen" oder "20 Prozent Sonderrabatt" beim Besuch eines bestimmten Friseursalons. Das sind nur fünf von vielen Vergünstigungen, mit denen der Österreichische Journalistenclub (ÖJC) auf seiner Webseite um Mitglieder wirbt.

Daneben gibt es beim ÖJC, der sich für Pressefreiheit einsetzt, Seminare anbietet und Journalistenpreise vergibt, aber auch nützliche Angebote für den Job – wie Zugang zu Mailinglisten oder eine Rechtsschutzversicherung. Um in den Genuss solcher Goodies zu kommen, ist eine Mitgliedschaft Voraussetzung. Nach einer einmaligen Aufnahmegebühr von 110 Euro ist man mit 79 Euro pro Jahr dabei. Was winkt, ist der Presseausweis – aber nur für journalistisch tätige Personen, wie betont wird. Ein Tätigkeitsnachweis durch Chefredaktion oder Herausgeber sei erforderlich, was alle zwei Jahre überprüft werde. Von den aktuell 6.500 ÖJC-Mitgliedern hätten rund zwei Drittel einen Presseausweis.

Vergünstigungen bei 1.000 Unternehmen

Eine solchen vergibt beispielsweise auch der "Deutsche Verband der Pressejournalisten" (DVPJ) für Österreich und wirbt gleich mit "32 Prozent Rabatt auf Neuwagen" um Mitglieder. Mehr als 1.000 Unternehmen würden Sonderkonditionen gewähren, heißt es. Nach einer einmaligen Aufnahmegebühr von 117 Euro kostet der Presseausweis nur 36 Euro pro Jahr. Verlangt wird ein "Veröffentlichungsnachweis", eine "Redaktionsbestätigung" oder ein "ähnlicher Nachweis".

Presseausweis als "kostenloses Extra"

Einen eigenen Presseausweis bringt jetzt auch die Branchenzeitschrift "Der Österreichische Journalist" ins Spiel, was vorige Woche bei Journalisten auf Twitter für Verwunderung sorgte. Neue und bestehende Abonnenten würden ihn als "kostenloses Extra" bekommen, wie es heißt. Limitiert ist die Aktion vorerst bis Ende März 2016. "Die Idee dahinter ist, es als Service für die Journalisten unter den Lesern anzubieten", sagt Johann Oberauer, Herausgeber des "Journalisten" zum STANDARD. Wer einen Presseausweis möchte, müsse eine Bestätigung mitschicken, journalistisch tätig zu sein – etwa vom Arbeitgeber. "Es ist nicht das Ziel, dass es jeder Hausmeister bekommt", so Oberauer. Der Presseausweis stünde mit keinerlei Rabattaktionen in Verbindung.

Was Leute mit einem Presseausweis machen, müssten sie selbst entscheiden, sagt Oberauer. Er gehe von einem verantwortungsvollen Umgang aus und auch davon, dass er nicht für Rabatte missbraucht werde. Zum Beispiel, um an Akkreditierungen für Veranstaltungen, über die nicht berichtet wird, zu gelangen, oder für kostenlosen Eintritt in Museen. Bis vor wenigen Jahren stellten etwa die ÖBB eine eigene Vorteilscard für Journalisten aus. Sie kostete nur die Hälfte und brachte ein Gratis-Upgrade eines Ticktes zweiter Klasse für die Erste.

Er selbst habe in seinen 30 Jahren als Journalist nie einen Presseausweis gebraucht, sagt Oberauer. Für viele, vor allem jüngere Kolleginnen und Kollegen, könne er aber für das Selbstverständnis als Journalist wichtig sein.

Aktuell 7.000 Journalisten

Nach den Bewertungskriterien des Medienhauses Wien dürfte es in Österreich rund 7.000 Journalisten geben. Die letzte Erhebung für den Journalisten-Report fand in den Jahren 2006/2007 statt. Damals wurden 7.100 ermittelt. Eine Zahl, die noch aktuell sei, heißt es auf STANDARD-Anfrage. Die Diskrepanz zwischen der Anzahl der Presseausweise und jener der Journalisten wird damit erklärt, dass etwa ganz oder überwiegend in Public Relations Tätige für den Journalisten-Report nicht gezählt wurden. Einen Presseausweis erhielten aber wohl auch Mitarbeiter der Landespressedienste, Rathauskorrespondenzen oder von Parteipressestellen und Ministeriensprecher.

Kriterien für Vergabe

Das Österreichische Kuratorium für Presseausweise wird von vier Organisationen getragen: Journalistengewerkschaft, Zeitschriften- und Fachmedienverband, Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) und Syndikat der Pressefotografen. Medienvertreter können Ausweise entweder über ihre jeweiligen Organisationen beantragen oder direkt beim Kuratorium, sollten sie etwa als Freie für mehrere Medien arbeiten oder kein Gewerkschaftsmitglied sein.

Sie müssen nachweisen, dass sie mindestens 1.200 Euro pro Monat aus journalistischer Arbeit lukrieren. Ohne Trägerorganisation im Rücken kostet der Ausweis nach einer einmaligen Einschreibgebühr von 50 Euro jährlich 70 Euro. Benötigt wird eine Strafregisterbescheinigung. Jeder Antrag werde genau geprüft, betont Geschäftsführer Kullmann. Möchte jemand ein Presseschild für das Auto, sind 20 Euro zu berappen. Privilegien sind damit keine verbunden.

"Presseausweise müssen einen Hintergrund haben", sagt Kullmann: "Das ist eine Legitimation für die Ausübung des Berufs." Jener des Kuratoriums werde bei Behörden und Polizeidienststellen anerkannt – etwa, wenn es um Auskünfte oder Zugang zu Tatorten gehe. Um den Ausweis noch mehr zu stärken, gebe es Bestrebungen, eine offizielle Anerkennung über das Innenministerium zu erwirken. Die gab es bis Innenminister Ernst Strasser (2000 bis 2004). (Oliver Mark, 22.12.2015)