Pablo Iglesias, Chef der Linkspartei "Podemos", die am Sonntag in Spanien zur Parlamentswahl antritt, bei einem Kampagnentreffen in Sevilla.

Foto: APA/AFP/Cristina Quicler

Am Wochenende steht Spanien vor einer richtungsweisenden Parlamentswahl. Und gerade im kulturpolitischen Bereich wird diesen Sonntag eine Weichenstellung vollzogen.

Zwar hinkt die neue Linkspartei "Podemos" (dt. "Wir können") zuletzt in Umfragen zur Wählergunst abgeschlagen hinterher, doch bei Kunst- und Kulturschaffenden dürfte sie punkten. Immerhin ist der vorläufige Programmentwurf der Partei den Forderungen der in den tiefen Krisenjahren schwer geknechteten Szene fast nach dem Mund geschrieben. Höchste Zeit für einen drastischen Wandel, für den wiederholt auch Kulturschaffende geschlossen oder nach Teilsektoren protestierten, wäre es. Wie etwa zuletzt am 20. Mai dieses Jahres mit dem "Tag ohne Musik", an dem kein einziges Konzert stattfand.

Unbestritten ist, die Sparkursjahre haben die einstige Kulturnation mit globaler Strahlkraft in ihren Grundfesten erschüttert. Einzelne Kinokassenerfolge von den üblichen Verdächtigen, Regie-Ass Pedro Almodóvar oder etwa Alejandro Amenábar (aktuell mit Regression) können darüber nicht hinwegtäuschen.

Mehr Priorität für die Kultur

So soll die Kultur, gemäß "Podemos", bei der Ministerienaufteilung wieder die angebrachte Priorität erhalten. Anstatt wie aktuell mit den Agenden für Bildung und Sport gekoppelt, soll ein eigenständiges "Superministerium" für Kultur und Kommunikation entstehen, fordert die Fraktion unter Parteichef Pablo Iglesias.

Einer der Hauptkritikpunkte an der aktuellen Rechtsregierung unter Premier Mariano Rajoy ("Partido Popular") ist die hohe Mehrwertsteuer für Kultur – seien es Eintrittskarten für Konzerte oder Theater etwa. Im Falle eines Wahlerfolgs der ideologisch teils Syriza-nahen sowie teils aus der Protestbewegung des "15. Mai" (kurz 15M) erwachsenen Linkspartei soll jene drastisch gesenkt werden. Von aktuell 21 Prozent, dem Spitzensteuersatz, auf den stark reduzierten von vier Prozent. Da überflügelt "Podemos" auch die kulturpolitisch engagierten Sozialisten (PSOE), die ihrerseits eine Rückkehr zum reduzierten zehn-Prozent-Satz im Wahlprogramm festhielten. "Das ist nur ein Richtwert", wie PSOE-Chef Pedro Sánchez betont: "Auch sein Ziel sei vier Prozent." Wie sie auf Grundgüter des täglichen Bedarfs gelten.

Crowdfunding und Steuer

Zudem soll die aus der Kulturszene eingenommene Mehrwertsteuer zweckgebunden ebendieser wieder zugutekommen. Das besagt der "Podemos"-Plan, der auch das Mäzenatentum – klassisch "makro" wie auch im "mikro"-Bereich – per eigenem Gesetz zu stärken plant: über die Absetzbarkeit von Kulturausgaben von Unternehmen aber auch Privatpersonen. Hiervon würden auch zunehmend weiter verbreitete Crowdfunding-Vorhaben, etwa zum Erwerb von Kunstwerken für Museen, profitieren.

Der avantgardistische Vorstoß im "Podemos"-Kulturprogramm gilt der alljährlichen Steuererklärung. Wo neben Kirche oder NGOs ("soziale Zwecke") zukünftig auch ein Kästchen für einen alternativen Kulturbeitrag ("für künstlerische Zwecke") aufscheinen soll. Auch von öffentlichen Infrastrukturaufträgen sollen 1,5 Prozent an die Kultur fließen.

Vergünstigungen und Sozialfonds

Hinzu kommt eine Neuregelung des Status freischaffender Künstler. Geplant wären Vergünstigungen bei Sozialversicherung und Steuer ganz im Stile eines Künstler-Sozialfonds und der Gesetzgebung der französischen Sozialdemokraten. Auch für projektbezogene Förderungen nach Entscheid einer Kommission sollen die Mittel jenes Fonds Verwendung finden. Im Ministerium selbst sollen auch wieder mehr Gremien wie etwa eine Versammlung von Kunstschaffenden Eingang finden und Mitsprache- und Mitbestimmungsrecht haben. Eine Stärkung würde aber auch Gewerkschaften an sich zugutekommen.

Zudem sollen Kunstschaffende, auch in Kooperativen geeint, nicht auf Quartalsbasis Lohnabgaben zahlen wie Selbstständige generell, sondern nach Erhalt der Rechnungsbeiträge. Das könnte akuten budgetären Engpässen aufgrund säumiger Kunden entgegenwirken. Hier gelte es, neben der Förderung von Frauen in der Kunstwelt (ohne explizit das Wort "Quote" zu nennen) auch Künstlerkooperativen zu entlasten sowie zu unterstützen, plant "Podemos".

"EScultura" und TV-Präsenz

In Sachen kultureller Bildung und Kunstvermittlung will man Bibliotheken stärken sowie die Präsenz von Kultur im Lehrplan, aber auch im staatlichen Rundfunk RTVE, wo primär der zweite Kanal, La2, Bildungsangebote ausstrahlt, ausbauen. Eine engere Zusammenarbeit mit dem paneuropäischen Kultursender Arte sei ebenso anzustreben, wie Spaniens Kunst im Ausland unter der Dachmarke "EScultura" (dt. "Das ist Kultur" plus die spanische Länderkennung "ES") stärker beworben werden soll.

Hier überschneiden sich die "Neo-Linken" mit "Ciudadanos" (dt. Bürger), der rechtsliberalen Neo-Fraktion, die in Umfragen aktuell bereits auf Rang drei liegt. Diese will aber dezidiert keine "subventionierte Kunstszene". Ganz neoliberal gehalten gelte es stattdessen, steuerliche Anreize zu setzen, wie es etwa in den USA gang und gäbe sei, wie die Kultursprecherin der "Ciudadanos" und Autorin Marta Rivera de la Cruz bei einem Vortrag am Sitz des Rechteverwerters SGAE in Madrid betonte. (Jan Marot aus Granada, 19.12.2015)