Brüssel – Einen nicht gerade rosigen Ausblick gaben die Spitzen der EU nach dem Gipfel der 28 Staats- und Regierungschefs am Donnerstag und am Freitag in Brüssel. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will jedenfalls dem Wunsch Schwedens nach einer Ausnahmeregelung für ein Jahr aus der Flüchtlingsverteilung nachkommen. Schweden sei am stärksten durch Flüchtlinge belastet. Gleich zu Beginn 2016 soll die Entscheidung fallen. "Ich würde gerne dem Wunsch der schwedischen Regierung entsprechen."
Der luxemburgische EU-Ratsvorsitzende Premier Xavier Bettel sprach von einem krisenreichen Jahr, und Juncker fügte hinzu, "viele Staats- und Regierungschefs sind heute erleichtert abgereist. Aber ich glaube nicht, dass in zwei Wochen Anfang 2016 die Situation besser wird." Bettel erklärte bei seinem letzten Auftreten vor Übergabe des Vorsitzes an die Niederlande, die Lage sei schwierig. Es sei höchste Zeit, Solidarität unter Beweis zu stellen.
"Noch nicht aus Krise gekommen"
Bettel sah trotzdem gewisse Fortschritte. "Das gegenseitige Vertrauen ist da", so hätten die Staats- und Regierungschefs zuletzt bei der Grenzschutzfrage Solidarität gezeigt. Jetzt "muss ein Schritt nach vorne erfolgen". Bettel: "Wir sind noch nicht aus der Krise herausgekommen und befinden uns in einer schwierigen Situation."
Eine Milliarde für Türkei aus EU-Etat
Alle 28 EU-Staaten werden sich nach Angaben von Bundeskanzlerin Angela Merkel an dem Drei-Milliarden-Euro-Paket für die Türkei in der Flüchtlingskrise beteiligen. Die Details sollten die EU-Botschafter klären, sagte Merkel am Freitag nach Abschluss des EU-Gipfels. "Nach meinem Kenntnisstand werden sich alle EU-Staaten beteiligen." Die EU-Kommission werde eine Milliarde Euro aus dem EU-Etat nehmen. Die anderen zwei Milliarden Euro würden nach den jeweiligen Anteilen auf die EU-Staaten verteilt. Auf die Frage, ob sich auch Zypern beteiligt, sagte die Kanzlerin: "Ich kenne kein Land, das nicht dabei ist."
Die Zyprer sollen Informationen aus Verhandlungskreisen zufolge deutlich gemacht haben, dass sie möchten, dass ihr Beitrag für die Hilfe syrischer Flüchtlinge in Jordanien und Libanon, aber nicht in der Türkei genutzt werde. Die Republik Zypern, die seit 2004 EU-Mitglied ist, übt über den 1974 von der Türkei besetzten Nordtteil der Insel keine Kontrolle aus.
Faymann: 2016 noch härter
Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) sagte nach dem Gipfel, 2016 werde "noch härter als heuer". "Viele verwechseln eine Verbesserung der Flüchtlingssituation mit dem Winter", konstatierte Faymann. Einmal mehr pochte er auf die Umsetzung bereits vereinbarter Beschlüsse. Denn noch gebe es in der Flüchtlingsfrage "keine Lösung".
"Wir müssen mit viel Mühe dafür sorgen, dass das nicht nur am Papier bleibt", meinte der Bundeskanzler. Die EU habe "das Richtige vor", sagte Faymann. Doch noch sehe er nicht, "dass wir die Sache an der Wurzel gepackt haben, weder in Syrien, noch in den Camps vor Ort". Trotz des angestrebten Deals mit der Türkei werde man sich dem Land gegenüber nicht weniger kritisch geben, sagte Faymann. (APA, 18.12.2015)