Kranbeere ist die deutsche Bezeichnung für Cranberry. Sie leitet sich von Kranich ab. Diese Vögel essen die bittersaueren Früchte besonders gerne.

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Was Omas sagen, bleibt einem erfahrungsgemäß lange im Gedächtnis: zum Beispiel, dass man sich warm anziehen muss, dass auf kalten Steinen sitzen gefährlich ist und dass man sich nach dem Schwimmen immer schnell einen trockenen Badeanzug anziehen sollte, "weil man sonst eine Blasenentzündung bekommt".

Dass Wärme und Kälte eine Rolle spielen, stimmt allerdings nur bedingt. Die wahren Verursacher sind Bakterien, am häufigsten Eschericha coli. Frauen, die häufig an Blasenentzündung leiden, haben ein labiles Gleichgewicht im Urogenitaltrakt, dass durch Infekte, Stress oder nicht ausreichender Flüssigkeitszufuhr kippen kann.

Häufiges Bakterium

E. coli ist ein Bakterium, das bei so gut wie allen Menschen im Darm vorkommt und sich dort vollkommen unauffällig verhält. Wenn es jedoch in die Harnröhre gelangt, können sich Blasenentzündungen bilden. "Bei Frauen ist das schon durch die Anatomie leicht möglich", sagt Thiel und meint damit sozusagen die Selbstinfektion, die am Klo ganz automatisch passiert.

Ganz wichtig für Betroffene ist Hygiene ("Nach dem Stuhlgang immer von vorn nach hinten und nie umgekehrt abwischen"), um E. coli den Zugang zu den Harnwegen zu erschweren. Weil Harnwegsinfekte unangenehm sind, verschreiben Hausärzte sehr schnell Antibiotika. Das Fatale: E. coli "gewöhnt" sich an die Antibiotika, mit der Zeit werden sie wirkungslos. "Antibiotikaresistenzen sind ein Riesenproblem", sagt Thiel, vor allem bei jungen Patientinnen.

Cocktail mit Cranberry

Die Gynäkologin wollte ausprobieren, inwiefern hochkonzentrierte Cranberryprodukte, ein altes Hausmittel, nicht eine Alternative sein könnten, und recherchierte. Das Gute an Cranberrys sind die sogenannten Proanthocyanidine (PAC), die verhindern, dass die Bakterien sich an den Wänden der Harnwege anhaften können. In Brunnenkresse und Kren wiederum sind Glucoinolate, die in Studien antientzündliche Wirkung gezeigt haben. Sowohl für Cranberry als auch für Brunnenkresse gibt es Placebo kontrollierte Untersuchungen.

Die Cranberry-Präparate am Markt sind allesamt Nahrungsergänzungsmittel, durch die unterschiedliche Dosierung und Darreichungsform sind sie auch kaum vergleichbar. Thiel entschied sich mit einem Kombinationspräparat aus hochdosierten Cranberryextrakten, Brunnenkresse und Kren einen Versuch aufs Exempel zu machen.

48 Frauen mit häufigen Harnwegsinfekten erklärten sich bereit, an einer Studie in Thiels Ordination teilzunehmen. Eine akute Infektion wurde, abgesehen von den Symptomen, mit einem Urinteststreifen festgestellt. Hatten die betroffenen Frauen weder Fieber noch Schmerzen im Nierenbecken, bekamen sie statt Antibiotika den Cranberry-Cocktail.

Lang anhaltende Wirkung

Was in Thiels Testreihe schnell festzustellen war: Die Symptome von Harnwegsinfekten wie etwa starker Harndrang oder Schmerzen beim Urinieren dauerten länger als bei einer Antibiotikatherapie. Durchhalten können war also eine Voraussetzung. Von den 48 Teilnehmerinnen schafften das im Beobachtungszeitraum 32 ohne Antibiotikum, 16 brauchten eines.

Selbst nach einem Jahr (dies ist erst bei 34 Frauen der Fall) waren 21 noch ohne Rückfall, fünf hatten allerdings erneut das Cranberrykombinationspräparat eingenommen, acht brauchten ein Antibiotikum.

"Das lässt allerdings schon vermuten, dass die Wirkung auch länger anhalten kann", sagt Thiel, die sich der relativ kleinen Teilnehmerinnenanzahl ihrer Studie bewusst ist und deshalb keine allgemeinen Schlüsse ziehen will. Bei unkomplizierten Blasenentzündungen zieht sie das Cranberry-Brunnenkresse-Präparat jedoch dem Antibiotikum erst einmal vor.

Ohne Nebenwirkungen

Für Thiel positiv war, dass keine der Frauen über irgendwelche Nebenwirkungen während der Einnahme des pflanzlichen Mittels klagte. Ob der regelmäßige Verzehr von Cranberrys oder Preiselbeeren eine Form der Prophylaxe gegen Harnwegsinfekte generell sein könnte?

"Für gesunde Frauen vielleicht", sagt Thiel, bei einem akuten Infekt wäre die Konzentration der reinen Früchte aber sicherlich zu gering. Insofern ist der Preiselbeersaft also nur eventuell eine Vorbeugung. Studien zu Hausmitteln sind hinsichtlich Dosis und Wirkung viel zu komplex und vor allem: Wer würde sie finanzieren? Die Omas dieser Welt sicherlich nicht. (Karin Pollack, 19.12.2015)