Bild nicht mehr verfügbar.

David Cameron und François Hollande: Zwei Geschwindigkeiten.

Foto: APA / EPA / Olivier Hoslet

David Cameron war bestens gelaunt, als er in der Nacht auf Freitag nach der ersten Session des EU-Gipfels vor Journalisten trat. "Nichts ist sicher, im Leben wie in Brüssel, aber ich würde sagen, der Weg für eine Einigung im Februar ist bereitet", erklärte der britische Premierminister. Beim Abendessen hatte er mit 27 Regierungschefkollegen und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zum ersten Mal ausführlich alle Details der von ihm geforderten Reformen der EU durchbesprochen. Er wünscht sich eine Verschlankung, die Rückführung von Kompetenzen in Mitgliedstaaten, wo dies möglich ist, eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, weniger Regulierung zum Beispiel.

"Zwei Geschwindigkeiten"

In all diesen Punkten sind die Partner bereit, Großbritannien Zugeständnisse zu machen, sofern die Union dadurch nicht eingeschränkt wird. Frankreichs Präsident François Hollande sprach sich da für ein Europa der zwei Geschwindigkeiten aus: Es müsse Gruppen von Staaten möglich sein, gemeinsam voranzuschreiten, wenn sie das wollten. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel betonte, dass ein fairer Kompromiss möglich sei.

Bis zum nächsten EU-Gipfel Mitte Februar würden alle technischen und legistischen Details geprüft. Aber: Es dürfe keine Diskriminierung von EU-Bürgern geben, die "Säulen" des EU-Vertrages, etwa die Personenfreizügigkeit, müssten unangetastet bleiben.

Umstrittene Einschränkung von Sozialleistungen

Wie der "jetzt viel optimistischere" Ratspräsident Donald Tusk bestätigte, habe Cameron zugesagt, dass auch er dieses Prinzip voll respektiere. Besonders heikel ist das vor allem bei einer Forderung des Briten im Sozialbereich. Weil er den Zuzug von Billigarbeitern aus Osteuropa einschränken will, soll London bei Sozialleistungen Einschränkungen vornehmen können. Wer nicht mindestens vier Jahre seinen Wohnsitz in Großbritannien habe, solle keinen Zugang zu bestimmten staatlichen Leistungen haben.

Die Visegrád-Staaten Polen, Tschechien, Ungarn und die Slowakei lehnten das strikt ab. Es könnte nun aber eine Lösung geben, für die jedoch eine Änderung im Primärrecht des EU-Vertrages nötig wäre. Das dauert in der Regel Jahre, weil EU-Verträge von allen Mitgliedsländern ratifiziert werden müssen. Cameron plant sein Referendum jedoch für spätestens 2017.

Wie es aussieht, könnte Großbritannien im Sozialkapitel – wie schon bisher bei einigen anderen Politiken – eine Opt-out-Klausel bekommen, die andere Staaten nicht tangiert. Offenbar ist Cameron bereit, auf die Vier-Jahres-Klausel zu verzichten und eine Alternativlösung für Einschränkungen bei Sozialleistungen auszuarbeiten. Es gibt in den EU-Staaten heute schon sehr unterschiedliche Regelungen zur Inanspruchnahme von Sozialleistungen. Weniger schwierig dürfte die Umsetzung der Forderung sein, dass Großbritannien sich nicht an der weiteren Integration der Union beteiligen muss. (Thomas Mayer aus Brüssel, 18.12.2015)