Noch ist Einkaufen in allen Zielpunkt-Filialen möglich. Für manche Standorte könnte aber schon heuer Schluss sein.

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Wien – Schnäppchenjäger sind derzeit bei Zielpunkt willkommen. Die insolvente Lebensmittelkette lockt mit 30 Prozent Rabatt auf das gesamte Sortiment. "Wir müssen die Frequenz in den Filialen erhöhen und die Lager abbauen", sagte Masseverwalter Georg Freimüller der Austria Presseagentur.

Wie es mit den österreichweit 229 Filialen weitergeht, entscheidet Freimüller in der Weihnachtswoche. "Wir haben über 180 Anfragen von Interessenten, die den größten Teil der Filialen betreffen. Nur wenige Filialen wurden gar nicht angefragt", sagt Freimüller zum STANDARD. Jetzt heiße es abwarten, wer bis Montag tatsächlich ein Angebot abgebe.

Schon am Tag darauf findet eine Gläubigerausschusssitzung statt, bei der nicht nur die Angebote sondiert werden, sondern bereits entschieden wird, was mit den Standorten passiert. Filialen, für die sich keine Käufer finden, sperren gegen Jahresende zu.

Große in den Startlöchern

Die Interessenten bewegen sich branchenmäßig quer durch den Gemüsegarten – von der Bekleidungs- und Schuhhandelsbranche über Drogeriemärkte bis zum Lebensmittelhandel. Wobei Letzterer die größte Herausforderung in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht ist. Alle Großen von Rewe über Spar und Hofer bis Lidl haben ein Grundsatzinteresse an einigen Standorten kundgetan. Lidl mit seinen derzeit 29 Filialen hat schon länger Ausbauambitionen in Wien. "Ganz ohne das Zielpunkt-Thema sehen wir Verdoppelungspotenzial", sagt Lidl-Sprecher Hansjörg Peterleitner.

Ob Hofer und Lidl zum Zug kommen, wird laut Kartellrechtsexperte Martin Oder auch davon abhängen, ob die Bundeswettbewerbsbehörde die beiden eher als unmittelbare Lebensmittelkonkurrenz einordnet – wie das in Deutschland der Fall war – oder als Diskonter. Dass in Wien, wo mit 126 Standorten der Schwerpunkt der Zielpunkt-Filialen liegt, für Rewe und Spar etwas abfällt, kann Oder sich nicht vorstellen. Chancen sieht er eher für kleinere Player wie Bio-Supermärkte.

Chancen für Branchenfremde

Denn's-Geschäftsführerin Mareike Nossol – die deutsche Bio-Supermarktkette ist in Österreich auf Wachstumskurs – bestätigt grundsätzliches Interesse. Auch die Drogeriemarktkette DM zeigt sich nicht abgeneigt. Theodor Thanner, Chef der Bundeswettbewerbsbehörde, hat schon durchblicken lassen, dass bei vielen Standorten branchenfremde Kandidaten die besseren Karten haben könnten. Denn bereits jetzt entfallen mehr als 80 Prozent des Marktes auf die Branchenriesen Rewe, Spar und Hofer. Die Supermarktkette Mpreis, stark in Tirol und Salzburg vertreten, winkt ohnehin ab. Tatsächlich wäre wohl auch der Investitionsbedarf hoch. Während Mpreis auf luftige, holzgedeckte Flächen setzt, sind viele der Wiener Zielpunkt-Standorte in die Jahre gekommen und geradezu muffig.

"Die Kunst besteht jetzt im Matching, wie bei einer Partnerbörse", sagt Standortberater Hannes Lindner. "In Wien wird es nicht schwierig, Standorte loszubekommen. Das ist eine schnell wachsende Stadt mit einem Wildwuchs an unterschiedlichen Formaten." Fitnesscenter und Gastronomiebetriebe könnten hier fündig werden. Im ländlichen Raum, wo das Supermarktformat vorherrsche, seien auch Lebensmittelhändler als Filialabnehmer denkbar.

Für die Zielpunkt-Mitarbeiter wurde laut Wolfgang Pfabigan, Geschäftsführer des Insolvenzentgeltfonds, zumindest die rasche Ausbezahlung der Novembergehälter und Weihnachtsgelder erreicht. "Das ist sich Gott sei Dank noch vor Weihnachten ausgegangen." Wie viele Mitarbeiter nun einen neuen Job finden werden, ist noch ungewiss. (Regina Bruckner, 19.12.2015)