... no money in our coats, you can't say we're satisfied

Als wir nach zwanzig Jahren wieder im Raimann sitzen, weißt du, wo das Haustor ist. Das, wo wir morgens vor Schulbeginn heimlich Tschick rauchen. Und dass diese Gasse mit dem Haustor gleich ums Eck vom Hotel Bauer ist. Dass ich diese Gasse immer nur "schiache Gasse" nenne. Rührend. Warum nicht?

Und ich weiß, dass wir nach der Schule im Sperl sitzen und so tun, als ob wir mitten im Leben sind. Und dass es mir lange nicht einfällt, verliebt in dich zu sein. Na, so was! Im Sperl willst du Tiere heilen und ich irgendwas mit Flugzeugen. Dir ist Geld nicht so wichtig, mir nicht so unerheblich. Aber wir sind auf jeden Fall bescheiden und links der Mitte.

Dann ist die Schule vorbei. Ich gehe nie wieder an diesem stinkenden Haustor in der schiachen Gasse vorbei. Ein Kumpel geht ins Hotel Bauer, um dort eine Gelegenheitsfreundin zu ficken. Weil sie erregt, wenn es im Puff getrieben wird. Ihm ist's wuascht. Aber Angie, ich denke nie daran, dich im Bauer zu ficken. Wir sind Kumpel. Und gehen ins Sperl. Noch immer.

EagleMDare

But Angie, Angie, you can't say we never tried

Du studierst die Sache mit dem Tiereheilen. Ich lotse Flugzeuge für die Republik. Wir gehen nicht mehr ins Sperl. Jetzt gehen wir ins Raimann.

An diesem Abend fahren wir mit meinem Auto auf den Bisamberg. Du drehst meinen ersten Joint. Ever. Ich sehe die Positionslichter der Flugzeuge. Du bist wunderschön. Aber es fällt mir immer noch nicht ein, dich zu lieben. Dafür ist später Zeit. Dann, wenn das echte Leben losgeht. Jetzt ist es einfach noch nicht. Das echte Leben. Dich lassen sie noch nicht an echte Tiere, und mich lassen sie nicht allein am Radar.

Später wetteifern wir, wer das bessere Haschisch aufstellt. Für die Abende am Bisamberg. Inzwischen liebe ich Veronika, Susanne, die "Stupsi" und Helene, "die Birne". Aber jedes Mal stelle ich fest, dass es doch nur Ficken ist. Na ja ... auch nicht schlecht.

Angie, Angie, where will it lead us from here?

Dein Studium stockt dann doch ein wenig. Macht nichts, so geht es vielen. Es ist noch Zeit. Ich tu' immer noch so, als ob ich Angst vor deinem Schäfer hab'. Obwohl seine Hinterläufe gelähmt sind und er fast blind ist. In Wahrheit graust mir nur vor seinem Sabber. Ich will dich bloß nicht beleidigen.

Du brauchst eine Pause. Wir fahren nach Sutivan. Bei Hartberg fährst du meinen roten BMW zu Schrott. Es ist mir wurscht. Jetzt liebe ich dich. Und will dich in Sutivan küssen. Wir fahren mit dem Zug, dann fliegen wir von Zagreb nach Beograd und von dort aus nach Split. Dann sind wir in Sutivan. Ich küsse dich. Du bist dabei. Wir bleiben eine Woche. In Wien werden wir mehr küssen.

All the dreams we held so close, seemed to all go up on a smoke

Aber in Wien küssen wir uns nicht mehr. Die Doch-nicht-Situation ist eingetreten. Macht nichts. Wir haben die Abende im Raimann. Und auf dem Bisamberg. Seltener. Dann nimmer. Dann vergehen zwanzig Jahre.

Dann triffst du zufällig meine Mutter. Dann rufst du mich an. Jetzt sitzen wir im Raimann. Es ist Frühling. Manchmal würdest du noch gerne kiffen. Es amüsiert dich, dass ich immer noch kiffe.

Du heiratest nie und hast keine Kinder. Deine Haare sind noch immer einen Meter lang. Du lachst echt und findest Geizhälse zum Kotzen. Nazis, Hutfahrer und Gleichgültigkeit sowieso. Deine Augen sind groß und blau. Du bist wunderschön.

But Angie, Angie, ain't it good to be alive

Dein sabbernder Schäfer ist schon lange tot. Wie mein Mischling. Dann unsere Mütter. Ein, zwei Freunde auch.

Es wird Abend im Raimann. Angie, ich ruf' dich an. (Bogumil Balkansky und die Rolling Stones, 20.12.2015)