Ankara – Der Ko-Chef der türkischen pro-kurdischen Oppositionspartei HDP, Selahattin Demirtaş, hat die islamisch-konservative Regierungspartei AKP mit der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) verglichen. Die AKP von Präsident Recep Tayyip Erdoğan sei "der IS der Türkei", zitierte die regierungskritische Tageszeitung "Cumhuriyet" Demirtaş am Sonntag.

Seine Partei kämpfe gegen den IS, fügte Demirtaş hinzu. Gleichzeitig kämpfe sie auch gegen das "faschistische" Verständnis, das die AKP von der Gesellschaft habe.

Stimmen verloren

Die HDP hatte bei den Parlamentswahlen in Juni mit rund 13 Prozent erstmals den Einzug ins Parlament geschafft. Die regierende AKP verlor damals die absolute Mehrheit. Es kam im November zu Neuwahlen, bei denen die pro-kurdische Partei nur knapp den Einzug ins Parlament schaffte.

Der Konflikt zwischen der Regierung in Ankara und der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK ist zuletzt wieder eskaliert. Sicherheitskräfte und PKK-Kämpfer lieferten sich schwere Gefechte im Südosten des Landes, dabei sind seit Mittwoch laut Medienberichten 102 PKK-Kämpfer ums Leben gekommen.

Die HDP ist eine Dachorganisation verschiedener kurdischer, linker und alternativer Parteien und betont stets unabhängig von der PKK zu sein. Erdoğan versucht sie jedoch immer wieder in die Nähe der verbotenen PKK zu rücken.

Mehr als 100 Tote bei Offensive im Osten

Bei der jüngsten Großoffensive der Türkei gegen die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) sind innerhalb weniger Tage mehr als 100 Menschen getötet worden. Wie es am Sonntag aus Kreisen der Sicherheitskräfte hieß, starben seit Mittwoch 102 PKK-Kämpfer. Außerdem wurden demnach mindestens zwei Soldaten und fünf Zivilisten getötet.

An dem Einsatz sind rund 10.000 Mitglieder des Militärs sowie Spezialkräfte der Polizei beteiligt. Er konzentriert sich auf die Städte Cizre und Silopi in der Provinz Sirnak im Grenzgebiet zu Syrien und zum Irak. Die Operation, bei der auch Panzer eingesetzt werden, zielt darauf ab, militante Kurden aus den Städten zu vertreiben. In der Kurdenregion gelten derzeit Ausgangssperren, in manchen Gegenden herrschen kriegsähnliche Zustände.

Armeechef Hulusi Akar stattete den Truppen in der Region am Samstag einen Besuch ab. Der Einsatz an Ort und Stelle werde "mit Entschlossenheit fortgesetzt, bis die öffentliche Ordnung wieder hergestellt ist", erklärte das Militär. Wie es weiter hieß, starteten zudem am Freitag von der Basis Diyarbakir aus Kampfjets, um PKK-Lager im Norden des Irak anzugreifen. Auch in Diyarbakir selbst wurde gekämpft.

Kurdische Aufständische hatten im Jahr 1984 im Südosten der Türkei einen Kampf um größere Autonomierechte begonnen. Der Konflikt der Regierung in Ankara mit der PKK war im Sommer wieder eskaliert, der vor drei Jahren eingeleitete Friedensprozess kam zum Erliegen.

Bei den Auseinandersetzungen wurden in den vergangenen 30 Jahren gut 40.000 Menschen getötet. Die Verlagerung der Auseinandersetzungen von ländlichen in städtische Gebiete trieb zudem rund 200.000 Menschen in die Flucht. Vielerorts in der südöstlichen Region erinnern Ortschaften wegen zerstörter Schulen und Krankenhäuser an die Lage im benachbarten Bürgerkriegsland Syrien.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan zeigte sich zuletzt entschlossen, die PKK zu "vernichten". Regierungschef Ahmet Davutoglu äußerte sich am Wochenende ähnlich und warnte vor einem Bürgerkrieg in der Region. Der Militäreinsatz werde so lange dauern, bis die betroffenen Städte "gesäubert" seien, erklärte Davutoglu.

Der Einsatz wird von Teilen der türkischen Opposition und der Zivilgesellschaft kritisiert. Die Menschenrechtsorganisation IHD kritisierte die Offensive sowie die "systematische Anwendung von Ausgangssperren" als eine "inakzeptable Kollektivstrafe".

Tränengas gegen Demo in Istanbul

Die Polizei in Istanbul hat eine pro-kurdische Demonstration gegen die Militäroffensive im Südosten des Landes gewaltsam aufgelöst. Die Sicherheitskräfte setzten am Sonntag auf der zentralen Einkaufsmeile Istiklal Caddesi Tränengas ein.

Mehrere hundert Demonstranten forderten ein Ende der seit Tagen andauernden Ausgangssperren in umkämpften kurdischen Städten im Südosten. Dort gehen Sicherheitskräfte gegen die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) vor. In Sprechchören nannten Demonstranten Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan einen "Mörder". (APA, 20.12.2015)