Sonja Hammerschmid ist die erste Frau an der Spitze der Universitätenkonferenz. Netzwerke aufzubauen und zu pflegen hält sie für zwingend notwendig, um Themen umsetzen zu können.

Foto: Regine Hendrich

Wien – Sonja Hammerschmid, die neue Vorsitzende der Universitätenkonferenz (Uniko), fordert Umschichtungen im Budget zugunsten der Hochschulen. Das werde notwendig sein, sagt die Rektorin der Veterinärmedizinischen Universität im STANDARD-Interview: "Wenn man so weitermacht wie bisher, riskiert man alles. Wir könnten unseren Wohlstand und unsere Wettbewerbsfähigkeit verlieren." Diese Forderung will sie auch mit dem Wissenschafts- und dem Finanzminister diskutieren.

Einen offenen Uni-Zugang für alle Studierenden hält Hammerschmid für "unrealistisch" und "naiv". So viele Ressourcen könnten nicht auf einen Schlag in die Lehre fließen. Die neue Uniko-Präsidentin, die dieses Amt am 1. Jänner 2016 vom Rektor der Universität Salzburg, Heinrich Schmidinger, übernehmen wird, will eine Evaluierung aller überlaufenen Studien und will dann über neue Zugangsbeschränkungen diskutieren.

STANDARD: Sie bezeichnen sich selbst als "ideologisches Arbeiterkind". Was meinen Sie damit?

Hammerschmid: Schlichtweg, dass ich in einer Arbeiterfamilie aufgewachsen bin. Mein Vater ist Kraftfahrzeugmechanikermeister und war bei einer Industriefirma im Qualitätsmanagement tätig. Meine Mutter war Assistentin in einem Sanitärbetrieb.

STANDARD: Wie schwer war es für Sie, eine akademische Laufbahn einzuschlagen?

Hammerschmid: Für mich war es insofern einfach, weil mich meine Eltern dazu getrieben haben. Dafür bin ich sehr dankbar. Für sie war klar, meinem Bruder und mir die bestmögliche Ausbildung angedeihen zu lassen, um uns alle Wege offenzuhalten.

STANDARD: Trotzdem sprechen Sie sich für Zugangsbeschränkungen und Studiengebühren aus. Viele fürchten, dass diese Maßnahmen Arbeiterkinder abschrecken. Warum sind Sie dafür?

Hammerschmid: Zugangsregelungen sind mir wichtig, weil ich will, dass die Studierenden die bestmögliche Ausbildung bekommen. Ich verstehe nicht, warum gerade die Studierendenvertreter sagen, sie wollen offene Zugänge. Es ist die Qualität ihres Studiums, die leidet. Es ist völlig unrealistisch, dass mit einem Schlag so viel mehr Ressourcen in die Lehre fließen, dass die Betreuungsverhältnisse passen. Das ist naiv. Studiengebühren sollte man nur sehr moderat und abgefedert mit einem Stipendiensystem einführen. Zu meiner Zeit gab es zwar keine Studiengebühren, aber ich selbst bin das beste Beispiel dafür, dass man als Arbeiterkind studieren kann.

STANDARD: In welchen Fächern hätten Sie gerne Zugangsregelungen?

Hammerschmid: Man muss das evaluieren. Es gibt Massenfächer, wo die Betreuungsrelationen einfach nicht passen.

STANDARD: In stark nachgefragten Fächern wie Publizistik gibt es schon Aufnahmeverfahren.

Hammerschmid: Ich würde bitten, sich zuerst die Kapazitäten anzuschauen. Bisher wurden Studierendenobergrenzen eingeführt, ohne sich an den Kapazitäten der Unis zu orientieren.

STANDARD: Erst ein naturwissenschaftliches Studium, dann eine der ersten Rektorinnen, jetzt erste Präsidentin der Universitätenkonferenz. Was bewegt Sie dazu, in Männerdomänen vorzudringen?

Hammerschmid: (Lacht.) Das hat überhaupt nichts mit Männerdomänen zu tun.

STANDARD: Es scheint systematisch.

Hammerschmid: Aber nicht von mir geplant. Ich will gestalten. Mir ist es ein Anliegen, die Rahmenbedingungen für die österreichischen Universitäten ein Stück weiterbringen zu können. Dadurch, dass ich Naturwissenschaften studiert habe, war ich naturgemäß in einem Feld, das vor allem in den Führungspositionen männerdominiert war. So ist das für mich völlig normal und nichts Außergewöhnliches.

STANDARD: Hat es Momente gegeben, wo es schwer für Sie war, eine der wenigen Frauen zu sein?

Hammerschmid: Nein. Ich habe mich nie diskriminiert gefühlt. Auch in meiner wissenschaftlichen Karriere nicht.

STANDARD: Bei Ihrer Antrittsrede als Rektorin haben Sie gesagt, dass für Ihr Selbstvertrauen vor allem Ihr Vater ausschlaggebend war. Wie kann man Mädchen fördern, die so einen Vater nicht haben?

Hammerschmid: Es liegt viel an Rollenbildern. Wir brauchen Vorbilder, die wir vor den Vorhang holen. Damit kann man Mädchen auch vermitteln, dass Karriere mit Familie vereinbar ist.

STANDARD: Braucht es eine Frauenquote, um diese Vorbilder zu bekommen?

Hammerschmid: Quoten sind eine Erste-Hilfe-Maßnahme, die viel bringt. Durch die Quotenregelung an den Universitäten ist es völlig selbstverständlich, die Organe gendergerecht zusammenzusetzen. Damit kommt Gleichstellung viel stärker ins Bewusstsein. Da können sich Unternehmen ein Scheibchen abschneiden.

STANDARD: Sie gelten als Netzwerkerin. Wie haben Sie sich Ihr Netzwerk aufgebaut?

Hammerschmid: In meiner Funktion als Bereichsleiterin im Austria Wirtschaftsservice war es notwendig, Kundengruppen aufzubauen. Wenn ich neue Programme entwickelt habe, hat das meine Netzwerke enorm erweitert. Ich habe dort eng verzahnt mit dem Wissenschafts- und dem Wirtschaftsministerium gearbeitet. Dadurch habe ich auch ein politisches Netzwerk bekommen. Man muss die Kontakte natürlich auch pflegen. Netzwerke sind zwingend notwendig, um Themen umzusetzen.

STANDARD: Ihr Vorgänger Heinrich Schmidinger hat am Ende seiner Amtszeit gesagt, dass seine Amtsführung wohl zu leise war. Was wollen Sie anders machen?

Hammerschmid: Ich habe noch kein Generalrezept, aber ich lasse mich jedenfalls nicht leicht entmutigen. Was mir gelingen muss, ist eine gemeinsame Position aller Universitäten. Mit diesen Forderungen müssen wir dann zum Wissenschaftsminister und – ganz wichtig – zum Finanzminister. Auch andere Stakeholder wie die Industriellenvereinigung oder die Räte sind wichtig. Sie können Botschafter für uns sein, es gilt, sie mit ins Boot zu holen. Und das kann ich, das weiß ich. Es wird auch sehr wichtig sein, unsere Leistungen öffentlich zu machen. Wenn wir die breite Masse davon überzeugen können, dass sie einen Nutzen davon haben, wenn wir gute Leistungen bringen können, dann entsteht ein Druck seitens der Wähler auf die Politik.

STANDARD: Dass die Wissenschaft viel leistet, sagt die Regierung schon jetzt. Das Problem ist, dass das Geld fehlt.

Hammerschmid: Das hat mit Prioritätensetzung zu tun. Es stimmt, es steht im Regierungsprogramm und wird gerne bei Reden gesagt, aber die Handlungen dazu fehlen mir. Solange der Druck nicht höher ist, wird das auch so bleiben, fürchte ich.

STANDARD: Sie fordern die Einführung einer kapazitätsorientierten Studienplatzfinanzierung, die bisher aus budgetären Gründen verschoben wurde. Wie wollen Sie es schaffen, dass sie wirklich kommt?

Hammerschmid: Es wird eine Umschichtung im Budget notwendig sein. Wenn man so weitermacht wie bisher, riskiert man alles. Wir könnten unseren Wohlstand und unsere Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Wenn es um die Zukunft des Landes und die jungen Menschen geht, dann muss man Prioritäten setzen.

STANDARD: Sie sind von der Wissenschaft ins Management gewechselt, weil es Sie frustriert hat, wenn Experimente nicht aufgegangen sind. Was machen Sie, wenn die Arbeit als Uniko-Präsidentin genauso frustrierend ist?

Hammerschmid: Das wird sie nicht sein, das weiß ich. In bin lange genug in der Universitätenkonferenz gesessen, um zu sehen, was geht und was nicht geht. Der wissenschaftliche Alltag eines Molekularbiologen ist ein anderer. Die Experimente dauern jahrelang. Wenn sie am Ende in die falsche Richtung aufgehen, kann man das schlichtweg in den Mistkübel werfen. Das ist nicht meine Welt. Ich liebe Verwaltung, Management und Führungsaufgaben. (Lisa Kogelnik, 21.12.2015)